Full text: Handbuch des Staats- und Verwaltungs-Rechts für das Königreich Bayern. Band I. Das Deutsche Reich und das Königreich Bayern. (1)

8 27. Besondere Bestimmungen d. Reichs-Verf. über d. Reichsgesetzgebung. 67 
geschriebenen Form zu Stande gekommene rechtsverbindliche Anordnung 
einer Rechtsregel. 
Doch ist die Reichsgesetzgebung nicht auf den Erlaß von Rechts- 
regeln beschränkt, sie kann auch konkrete rein thatsächliche Verhältnisse 
behandeln (z. B. die reichsgesetzliche Bestimmung, daß irgend ein 
Reichsamt an irgend einem bestimmten Orte errichtet wird 2c.), desgl. 
auch bloße Vollzugsbestimmungen betreffen. 
Die Reichsverordnungen dagegen beziehen sich gewöhnlich 
nicht auf Rechtsregeln, sie sind vielmehr in der Regel Anordnungen 
auf dem Gebiete der Verwaltung oder der ausübenden Regierungs- 
thätigkeit und des Vollzuges der Gesetze. Sie bewegen sich fast aus- 
schließlich auf dem Felde der staatlichen Fürsorge, welches vom Gesetze 
den Verwaltungs= und Regierungsbehörden eingeräumt worden ist. 
Doch gibt es neben den reinen Verwaltungsverordnungen ausnahms- 
weise auch Rechtsverordnungen, wie z. B. die in den einzelnen Ge- 
setzen vorgesehenen Ausführungsverordnungen oder das in den 
Art. 50, 53 und 63 der Reichs-Verf. statuierte Verordnungsrecht des 
Kaisers bezw. die kraft desselben erfolgten Erlasse. 
* Ein in Gesetzes form erklärter Wille des Reiches, d. h. ein 
Reichsgesetz kann vom Monmente seiner Verkündigung (Publikation 
nach Art. 2 der Verf.) an wieder nur in Form des Reichs gesetzes 
abgeändert oder aufgehoben werden. Dieser Grundsatz gilt übrigens 
nur für alle diejenigen Angelegenheiten, welche durch Gesetz geregelt 
sind und nur so weit, als diese gesetzliche Regelung sich erstreckt, 
und zwar auch dann, wenn die regelnden Sätze nicht zu den Rechts- 
regeln bezw. deren Anordnung gehören, vielmehr außerhalb der Rechts- 
ordnung liegen und sich ausschließlich nur auf faktische Verhältnisse 1) 
oder nur auf den einfachen Vollzug beziehen. Andrerseits gilt aber 
auch für das Reich als Regel, daß Verordnungen, welche sich nicht 
mit allgemeinen Verwaltungsvorschriften und Einrichtungen befassen 
sondern Rechtsnormen enthalten, rechtsgiltig nur auf Grund besonderer 
in einem Reichsgesetze speziell ausgesprochener Befugnis und von dem 
hiebei gesetzlich bestimmten Organe erlassen werden können. Wird die 
Erlassung solcher Verordnungen von dem betreffenden Reichsgesetze 
den Einzelstaaten übertragen, so gehen solchen Falles die obengenannten 
BVerordnungen, da sie im Reichsgesetze wurzeln, den Landesgesetzen, 
also auch sogar den Verfassungsgesetzen des betreffenden Einzel- 
staates vor. 
§ 27. 
8 
Besondere Bestimmungen der Reichsverfassung über die 
Reichsgesetzgebung. 
Nach Art. 5 der Reichs-Verf. wird „die Reichsgesetzgebung aus— 
!) So könnte zum Beispiel der Sitz des Reichsgerichtes, welcher durch 
Gesetz nach Leipzig verlegt wurde, wieder nur durch Gesetz anders wohin trans- 
feriert werden. 
5*
	        
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