Full text: Handbuch des Staats- und Verwaltungs-Rechts für das Königreich Bayern. Band I. Das Deutsche Reich und das Königreich Bayern. (1)

82 8 32. Das Verhältnis Bayerns zum Reiche. Allgemeines. 
Stellung unseres engeren Vaterlandes Bayern zum deutschen Reiche 
von selbst. 
Der König von Bayern ist Souverän in seinem Lande 
mit der gleichen Machtvollkommenheit als souveräner Fürst wie der 
König von Preußen und jeder andere Bundesfürst in seinem Reiche. 1) 
Das Verhältnis Bayerns als selbständigen Königreiches zum 
Reiche bestimmt sich lediglich nach dem Inhalte der Reichsverfassung 
und des Versailler Vertrages nebst Schlußprotokoll vom 23. No- 
vember 1870. 
Bayern wurde nicht durch Gewalt der Waffen gezwungen, ins 
deutsche Reich einzutreten und die deutsche Reichsverfassung zu ac- 
ceptieren, es erfolgte vielmehr dieser Beitritt zum ewigen Bunde 
„Deutsches Reich“ durch freiwillige vertragsmäßige Vereinbarung und 
zwar durch den obenerwähnten Vertrag d. d. Versailles 23. No- 
vember 1870. 
Dieser Vertrag wurde mit den betreffenden Bestimmungen der 
Reichsverfassung von den bayerischen Gesetzgebungsfaktoren in der durch 
die bayrische Verfassung vorgeschriebenen Form genehmigt, demnach 
zum bayrischen Verfassungsgesetz gemacht und als solches vom Könige 
von Bayern durch die kgl. Erklärung vom 30. Januar 18712) sank- 
1) Durch § 5 Abs. II des Reichsmilitärgesetzes vom 2. Mai 1874 (Web. 
10, 278) ist auch diese Souveränität der Bundesfürsten reichsgesetzlich an- 
erkannt, indem daselbst ausgesprochen ist: „Unbeschadet der Souveräni- 
tätsrechte der einzelnen Bundesstaaten sind die kommandierenden Ge- 
nerale die Militärbefehlshaber in den Armeekorps-Bezirken“. 
Auch Art. 41 Abs. 1 der Reichs-Verf. erkennt diese Landeshoheitsrechte 
ausdrücklich au. Ferner s. unten § 35 Anm. 9 Abs. 3 auf S. 91. 
*!) Web. 8, 704 f.; Bamb. 11, 3f. Vgl. die Worte dieser kgl. Deklaration: 
„Nachdem zu diesen Verträgen, insoweit durch deren Inhalt der verfassungsmäßige 
Wirkungskreis des Landtags berührt wird, durch Gesamtbeschluß der beiden 
Kammern unter Beobachtung der in Tit. X 8 7 der Verfassungs-Urkunde vor- 
geschriebenen Formen die Zustimmung des Landtages erfolgt ist, haben Wir zu 
denselben Unsere Ratifikation erteilt, und nachdem am 29. Januar 1871 zu 
Berlin die Auswechslung der Ratifikationen stattgefunden hat, erteilen Wir 
hiermit allen darin enthaltenen Bestimmungen, welche den verfassungsmäßigen 
Wirkungskreis des Landtages berühren, gesetzliche Kraft und Geltung und ver- 
fügen, daß diese Verträge sofort durch das Gesetzblatt und durch das Kreisamts- 
blatt der Pfalz verkündigt und ihrem ganzen Inhalte nach zum Vollzuge ge- 
bracht werden.“ — 
Es ist also in dieser kgl. Deklaration nur von „Verträgen" die Rede, 
welche nunmehr als Landesgesetz auch in Bayern gelten sollen, nachdem die 
bayrischen Gesetzgebungsfaktoren das durch diese Verträge geschaffene (also ver- 
tragsmäßige) Verhältnis, d. h. den durch diese Verträge geschaffenen Bund 
„Deutsches Reich“ und resp. die ersteren felbst ihrerseits in der durch die bayrische 
Verfassung vorgeschriebenen Form genehmigt haben. — Die deutsche Reichsver- 
fassung gilt demnach im souveränen Bayern nicht als Gesetz des Reiches, 
sondern als ein von den bayrischen Gesetzgebungsfaktoren genehmigtes bayrisches 
Landesgesetz und ist daher in konsequenter Folge dieses Satzes das Nämliche auch 
bezüglich aller auf Grund dieser Verfassung weiter erlassenen Reichsgesetze der 
Fall. — Siehe auch unten Anm. 4 zur Einleitung der Reichsverfassungsurkunde 
§ 35 a S. 93.
	        
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