8 32. Das Verhältnis Bayerns zum Reiche. Allgemeines. 83
tioniert: gilt also als bayrisches Verfassungsgesetz ebenso wie
die bayrische Verfassungsurkunde und die zu ihr und nach ihrer Vor-
schrift erlassenen übrigen bayrischen Verfassungsgesetze.
Das bayrische Verfassungsrecht hat demgemäß seit Eintritt
Bayerns ins Reich eine doppelte Quelle: die spezielle bayrische Ver-
fassung und die allgemeine deutsche Reichsverfassung.
Und wenn nun die deutschen Reichsgesetze, welche nach Maßgabe
des Inhaltes der Reichsverfassung vom Reiche erlassen sind, nach
Art. 2 dieser Verfassung den bayrischen Landesgesetzen vorgehen und
in Bayern schon durch ihre Verkündigung von Reichswegen im Reichs-
gesetzblatte verbindliche Kraft erhalten, so geschieht dies in und für
Bayern nur kraft des bayrischen Verfassungsgesetzes, durch welches
die Reichsverfassung, also auch Artikel 2 derselben mit dem Vertrage
von Versailles von Bayerns Volk und König freiwillig angenommen
und resp. sanktioniert worden ist, wie diese Reichsverfassung auch nur
in der Ausdehnung und in der Art und Form in Bayern gilt, in
welcher sie durch die genannten bayrischen Gesetzgebungsfaktoren
kraft der ihnen allein und ausschließlich zustehenden Competenz
auf Grund freier Bestimmung angenommen wurde.8)
— — —
Siehe über diese Frage auch Seydel, Bayr. Staatsrecht, 2. Aufl. Bd. J,
S. 263 f. Dagegen andere Meinung bei Laband 3. Aufl. Bd. 1, S. 50 ff. und
S. 80—85, welcher den Begriff eines Bundesstaates „Deutsches Reich“ mit
allen hieraus sich ergebenden Consequenzen konstruiert. Der Zweck dieses Buches
verbietet uns, weiter in diese Controverse einzutreten, doch glauben wir, daß die
Annahme eines „Staatenbundes“ für den ewigen Bund „Deutsches Reich“ in
keiner Weise hindert, alle Bestimmungen der Reichsverfaffung und resp. alle In-
stitutionen des Reiches nötigen oder gegebenen Falles juristisch zu konstruieren.
Der klare Wortlaut der Reichsverfassung, sowie Zweck und Absicht der einzelnen
süddeutschen Bundesfürsten bei ihrer Annahme sprechen überwiegend für die An-
nahme eines „Staatenbundes". — Höchstens könnte man für den früheren
Norddeutschen Bund „einen Bundesstaat“ annehmen, welcher mit den süddeutschen
Bundesstaaten sich zu einem Staatenbund vertragsmäßig zusammengeschlossen
hat, wenn man mit Laband Bd. 1, S. 15 ff. und S. 80, 81 annehmen wollte, daß
durch die wirkliche Errichtung des Norddeutschen Bundes auf Grund des zu dieser
Errichtung verpflichtenden Bündnisvertrages vom 18. August 1866 (geschlossen
zwischen den Staaten des nachmaligen Norddeutschen Bundes) der letztgenannte
Vertrag erfüllt worden, daher dieser Vertrag durch Erfüllung in Wegfall gekommen
und demgemäß fortan für den neuerrichteten Norddeutschen Bund die staats-
rechtliche — an Stelle der bisherigen völkerrechtlichen (vertragsmäßigen) —
Organisation getreten sei: also der „Norddeutsche Bund“ als ein „Bundesstaat“
erscheine. Der Wortlaut der Einleitung der Reichsverfassung (verb.: Se. Maj.
der König von Preußen im Namen des Norddeutschen Bundes) stünde wenigstens
solchen Falles der weiteren Annahme nicht entgegen, daß der bereits vorhan-
dene Bundesstaat „Norddeutscher Bund“ mit den daselbst weiter genannten
süddeutschen Bundesstaaten vertragsmäßig einen Staatenbund hat eingehen
wollen. Bayern aber ist auf keinen Fall Teil des Bundesstaates, sondern
Mitglied des Staaten bundes „Deutsches Reich“. —
Siehe hiezu weiter Anm. 4 und 9 zu § 35 a S. 93 und S. 94 f.
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