8 34. Die speziell bayerischen Reservatrechte. 87
beglaubigen 2c., das Recht eines jeden einzelnen Bundes-
staates — also speziell auch des Königreichs Bayern —,
seine eigenen Angelegenheiten durch Verträge 5) mit anderen
deutschen oder ausländischen Staaten und durch Entsendung
oder Beglaubigung von diplomatischen Vertretern zu ordnen,
in keiner Weise aufgehoben oder alteriert ist. (Vergl. hiezu
Pröbst, Commentar zu Art. 11 der Reichs-Verf., S. 60,
Anm. 5.) Und hievon macht auch Bayern selbstverständlich
vollen Gebrauch. —
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Die speziell bayerischen Reservatrechte.)
Wie oben unter cap. 1 § 3 „Verhältnis des Reiches zu den
Einzelstaaten“ und § 33 Ziff. 5 ausgeführt wurde, hat auch Bayern
und zwar in weitergehendem Umfange die Ausübung gewisser Rechte,
welche von anderen Bundesstaaten dem Reiche übertragen worden ist,
in dem Vertrage, in welchem es dem Reiche beigetreten ist, nicht mit
an das Reich übergeben, sondern nach wie vor vollständig für sich
behalten. Die in solchem Sinne besonders vorbehaltenen bayerischen
sog. Reservatrechte sind nun folgende:
1) Nach Art. 4 Ziff. 1 der Reichs-Verf. unterliegen in Bayern
nicht der Beaufsichtigung seitens des Reiches und der Gesetz-
gebung desselben: „Die Heimats= und Niederlas-
sungsverhältnisse", demgemäß auch nicht das hierauf
bezügliche Verehelichungs wesen (ckr. Schlußprotokoll
d. d. Versailles 23. November 1870 Ziff. I; Pröbst S. 136).
2) Vach Art. 35 Abs. II der Reichs-Verf. bleibt in Bayern,
Württemberg und Baden die Besteuerung des inländischen
(Branntweins#f) und! Bieres der Landesgesetzgebung vor-
behalten. (ckr. auch Art. 38 Abs. IV I. c)
3) Nach Art. 46 Abs. II der Reichs-Verf. sind die in den Art.
42 bis 45 und 46 Abs. 1 der Reichs-Verf. über das Eisen-
bahnwesen getroffenen Bestimmungen auf Bayern nicht an-
wendbar. Dem Reiche steht jedoch nach Art. 46 Abs. IVilc.
auch Bayern gegenüber das Recht zu, im Wege der Gesetz-
gebung einheitliche Normen für die Konstruktion und Aus-
5) Vgl. hiezu Art. 56 des Einf.-Ges. zum bürgerl. Ges.-Buch.
*) Riedel, Commentar zur Reichs-Verf. 1871 S. 11—19.
) Bezügl. des Branntweins ist eine Aenderung eingetreten, indem Bayern
(ebenso wie Württemberg und Baden) auf Grund des Branntweinsteuergesetzes
vom 24. Juni 1887 der Branntweinsteuergemeinschaft beigetreten ist. Daraufhin
ist durch die kaiserliche Verordnung vom 27. September 1887 (Reichs-Ges.-Bl.
S. 491, Web. 18, 396 Anm. 40) die Branntweinsteuergesetzgebung des Reiches
vom 1. Oktober 1887 auch in Bayern in Kraft getreten. Pröbst S. /7;
s. unten Buch I, § 83.