Full text: Hayn'sche Sammlung der Polizei-Verordnungen und polizeilichen Vorschriften der Regierungsbezirke der östlichen Provinzen des Regierungsbezirks Oppeln (II Teile I-III)

Zu § 35. Die Aufbewahrung. von lebenden Erregern der Pest und die 
Vornahme von wissenschaftlichen Versuchen mit denselben ist nur mit Ge- 
nehmigung des Herrn Ministers der geistlichen, Unterrichts- und Medizinal- 
angelegenheiten zulässig. Ich bemerke, daß die Genehmigung dazu nur in 
Fällen eines dringenden Bedürfnisses an solche staatliche oder kommunale 
Institute erteilt werden wird, deren Einrichtungen den „Vorschriften über 
das Arbeiten und den Berkehr mit Pesterregern“ (Anlage 10 der Anweisung) 
entsprechen, und deren Leiter den erforderlichen Grad persönlicher Zuverlässig- 
keit und bakteriologischer Ausbildung nachweisen. 
Anträge auf Erteilung der Erlaubnis sind nur nach sorgfältiger Prüfung 
und nur im Falle der Befürwortung an den Herrn Minister der geistlichen 
Angelegenheiten durch meine Hand einzureichen. 
Zurzeit darf mit Pesterregern gearbeitet werden in dem Institut für 
Infektionskrankheiten in Berlin, den hygienischen Universitätsinstituten in 
Berlin, Bonn, Breslau, Göttingen, Greifswald, Halle a. S., Kiel und 
Königsberg, dem Universitätsinstitut für Hygiene und experimentelle Therapie 
in Marburg, dem Institut für experimentelle Therapie in Frankfurt a. M., 
den hygienischen Instituten in Marburg und Posen und in den Quarantäne- 
anstalten in Bremerhaven, Emden, Memel, Neufahrwasser, Swinemünde und 
Voßbrook an der Kieler Föhrde. 
Oppeln, den 26. März 1903. 
Der Regierungspräsident. 
9. Bekanntmachung, betr. die Bertilgung der Ratten als Pestträger, 
vom 13. September 1900. (Amtsbl. S. 274.) 
Bei der großen Hedeutung. welche den Ratten als Krankheitsüberträgern 
bei der Pest zukommt, ist die Vertilgung dieses lästigen Ungeziefers zu einer 
prophylaktisch wichtigen Maßregel geworden. Ihre Ausrottung unter 
Umständen mit erheblichen Schwierigkeiten verknüpft, besonders da, wo sich 
die Vernichtung durch Gift als undurchführbar erweist. Eine sichere Methode, 
durch Bakterienkulturen — z. B. bei den Mäusen mit Kulturen des Mäuse- 
typhus — eine tötliche Seuche unter den Ratten hervorzurufen, gibt es bisher 
ebenfalls noch nicht, wenn auch die Versuche von Danysz in Niefer Beziehung 
hoffnungsvoll erscheinen. 
Im Kaiserlichen Gesundheitsamte sind nun vom Regierungsrat Professor 
Dr. Kossel Versuche angestellt, Ratten durch Gase zu töten, die einen aus- 
ezeichneten Erfolg hatten. Von der Gesellschaft für flüssige Gase, Raoul 
Ho- zu Berlin, wurde dem Gesundheitsamte Pictolin zur Verfügung ge- 
stellt, ein Gemenge von flüssigen Gasen, das hauptsächlich aus schwefliger 
Säure besteht und so wegen seines stechenden Geruchs dem Menschen nicht 
etwa durch unabsichtliche Einatmung gefährlich werden kann. Es gelang 
durch Einbringung der Flüssigkeit in ein Zimmer, in dem sich graue Ratten 
und Mäuse in Drahtkörben befanden, diese Tiere in wenigen Minuten zu 
töten. Auch Wanzen in einem mit Gaze verschlossenen Reagensglase starben 
durch die Einwirkung des Gases ab, während Fliegen zwar beläubt wurden, 
sich aber nachträglich wieder erholten. . 
Auf dies positive Resultat hin wurden durch die freundliche Vermittelun 
und unter der Aufsicht des Hafenarztes Dr. Noch in Hamburg an Schiffen 
Versuche angestellt, bei denen es gleichfalls gelang in den Schiffsräumen 
befindliche Ratten durch Einleiten von Pictolin zu töten.
	        
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