332 IV. Buch. Die Erledigung der Staatenstreitigkeiten.
In all diesen Fällen (Art.1 bis 3) unterliegt die feindliche Ware
an Bord der Schiffe, mit dem Schiff oder auch allein, der Beschlag-
nahme oder der Anforderung ‚(Art.4; deutscher Vorbehalt bezüglich
der Waren auf den in Art.3 genannten Schiffen) #).
Das Abkommen erstreckt sich nicht auf solche Handelsschiffe,
deren Bau ersehen läßt, daß sie zur Umwandlung in Kriegsschiffe
bestimm:. sind (Art.5).
8. Der Wegnahme unterliegt das feindliche Schiff und die auf ihm ver-
frachtete feindliche Ladung?!®).
a) Das Schiff ist feindlich, wenn es unter feindlicher Flagge fährt, oder
wenn es zu Unrecht die Flagge eines neutralen Staates führt, während es die
feindliche Flagge zu führen rechtlich verpflichtet ist.
Dieser Satz, auf dem schon die Pariser Deklaration von 1856
beruht, ist durch Artikel 57 der Londoner Erklärung von 1909 aus-
drücklich anerkannt worden. Dabei bleibt jedoch der Fall außer
Betracht, daß ein neutrales Schiff während des Krieges eine ihm in
Friedenszeiten nicht gestattete Schiffahrt (Küstenschiffahrt usw.) be-
treibt; England hat mithin nicht auf die von ihm aufgestellte „Regel
von 1756‘ verzichtet, nach der in diesem Fall das Schiff seine neutrale
Eigenschaft verliert. Die Staatsangehörigkeit des Eigentümers bleibt
unter allen Umständen außer Betracht. Im Weltkrieg ist England zu
seiner früheren Ansicht zurückgekehrt (Order vom 20. Oktober 1915),
die unter Mißachtung des Flaggenrechts die Staatszugehörigkeit des
beteiligten Kapitals entscheiden läßt. Frankreich hat ihm auch hier
Gefolgschaft geleistet.
Schwierigkeiten verursacht der Flaggenwechsel, d. h. der Über-
gang eines feindlichen Handelsschiffes zur neutralen Flagge durch Kauf,
Erbgang usw. Die Londoner Erklärung von 1909 hat zwischen den ein-
ander schroff gegenüberstehenden Ansichten eine vermittelnde Stel-
lung eingenommen und unterscheidet in den Artikeln 55 und 56, je
nachdenı der Flaggenwechsel vor oder nach Beginn der Feindselig-
keiten stattgefunden hat. Im ersten Fall ist der Flaggenwechsel gültig,
falls nicht bewiesen wird, daß er vorgenommen worden ist, um den
mit der Eigenschaft eines feindlichen Schiffes verbundenen Folgen zu
entgehen. Eine unwiderlegliche Vermutung spricht für die Gültigkeit,
wenn der Übergang mehr als dreißig Tage vor Beginn der Feindselig-
keiten stattgefunden hat und gegen seine rechtliche Wirksamkeit keine
Bedenken bestehen. Dagegen ist der nach Beginn des Krieges herbei-
geführte Übergang nichtig, falls nicht bewiesen wird, daß er nicht in
. 14) Österreich-Ungarn hat sich den deutschen Vorbehalten nicht an-
geschlossen; ihm gegenüber hat England sich daher an das Abkommen gehalten.
15) Vgl. dazu Hold v. Ferneck 179. '