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henden Manne vertrauliche Unterredungen in der Voraus-
setzung gewährt, daß jede dabei gefallene, von augenblick-
lichen, für dritte Personen gar nicht erkennbaren Stimmungen
beeinflußte Aeußerung nach einem Menschenalter der Oeffent-
lichkeit übergeben werde. Parlamentsreden, die vor vielen
Augen= und Ohrenzeugen gehalten werden, pflegen von allen
Rednern sorgfältig korrigiert zu werden, bevor sie in Druck
gelangen, weil es weit mehr darauf ankommt, was der Redner
gesagt haben will, als was er gesagt hat.“
Mit welcher Vorsicht Aufzeichnungen über die mit Bis-
marck geführten Gespräche ausgenommen werden müssen, dafür
besitze ich einen sprechenden Beweis. Ein deutscher Gelehrter,
welcher von dem Reichskanzler in den achtziger Jahren mit
einer Tischeinladung beehrt worden war, hatte es für gut
befunden, das in dem Hause Wilhelmstraße 78, Erlebte und
Gehörte möglichst genau zu Papier zu bringen. Noch zu Leb-
zeiten Bismarcks übergab mir derselbe das umfassende Referat
mit der Erlaubnis, dasselbe nach seinem Ableben zu publizieren.
Als Bismarck den Dienst verlassen hatte, legte ich ihm das
Referat bei Gelegenheit eines Besuches in Friedrichsruh vor.
Noch am selben Abend erhielt ich dasselbe mit einer Menge
Randbemerkungen Bismarcks zurück, welche mir zeigten, wie
leicht bei derartigen Relationen Mißverständnisse und positive
Fehler sich einschleichen können. Die Bemerkungen Bismarcks
brachten ein Dementi nach dem anderen: „Mir ganz fremd“
— — „mir neu“ — — „Es sind das keine Eindrücke, die ich
haben konnte; sie rühren nicht von mir her"“ — — „gewiß
richtig, aber nicht von mir gesagt.“
Mit Mißtrauen müssen die Aussprüche ausgenommen
werden, welche Bismarck in dem Aufsatze: „Aus der Gesell-
schaft von Varzin und Friedrichsruh“ („Deutsche Revue“
Jahrg. 1884, Bd. IV., S. 1, 129 und 257 und Unger, Unter-
redungen Bd. II. S. 128.) in den Mund gelegt werden. In