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Herbst 1867.
Unterredung mit dem Redakteur der „Pe-
tersburger Zeitung" über den Deutschenhaß
in Rußland.)
Bismarck: „Der Russe wird den Deutschen nie entbehren
können. Der Russe ist ein sehr liebenswürdiger Mensch. Er
hat Geist, Phantasie, ein angenehmes Benehmen, gesellige
Talente, aber täglich auch nur acht Stunden arbeiten, und
das sechsmal in der Woche und fünfzig Wochen im Jahre
— das wird in Ewigkeit kein Russe erlernen. Ich erinnere mich
der treffenden Worte, die ein russischer Militär in meiner
Gegenwart äußerte. Die Unterhaltung berührte den Um-
stand, daß so viele Offiziere deutscher Abstammung in der rusf-
sischen Armee bis zum General avancieren. Wie sollte ein
Deutscher nicht General werden! sagte jener Militär. Er
trinkt nicht, er stiehlt nicht, er ist nicht liederlich, er reitet
sein Pferd selbst, da muß er es schon bis zum General bringen.“
Trotz alledem hatte Bismarck einen guten Glauben an die
Zukunft Rußlands. „Seine höchsten Adligen sind intelligent,
seine Bauern sind die besten Kerls von der Welt. In der
Mitte ist es faul. Der Beamtenadel ist ein giftiges Geschwür,
das Rußlands Eingeweide hinwegfrißt.“
Besuch sehr höflich und lud ihn sogar zu Tisch ein. „Beim Essen,“
so erzählte er mir den Hergang, „wandte sich ein alter, steifer Hoch-
konservativer an mich mit der Frage, wer der rotbärtige fremde
Herr wäre. und, um ihn ein bißchen zu ärgern, antwortete ich, das
wäre der Mann, der vor zwanzig Jahren Kinckel befreit und
dann als Flüchtling das Land verlassen hätte. Der hochkonser-
vative Herr machte ein sehr verdutztes Gesicht, was mich höchlich
amüsierte.“ Bis dahin hatte Bismarck im Scherz gesprochen.
Dann aber fuhr er fort: „Ich empfing ihn (Schurz) als einen,
den die amerikanische Regierung mit einem hohen Amt betraut
hatte, und als einen angesehenen Privatmann.“
*) Nach einer Veröffentlichung der „Kreuzzeitung“ im Januar
1906.