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internationale Höflichkeit keine Rolle spielen, besonders da
sie französischerseits so selten zum Ausdruck kommt. Man
muß sich vielmehr fragen, ob es der nationalen Würde ent-
spricht, ein Gastrecht in Anspruch zu nehmen, das nur wider-
willig gewährt wird. Daß die französische Regierung ent-
schlossen ist, den Deutschen eine gute Aufnahme zu sichern,
ist glaublich. Aber die Regierung ist nicht das Volk. Ge-
wisse bedenkliche Symptome für die Stimmung des fran-
zösischen Volkes sind nicht wegzuleugnen. Gewisse Vorfälle
kennzeichnen die dämonische Tiefe des Hasses gegen alles,
was deutsch ist. Jemand, der die Wacht am Rhein gepfiffen,
ist zu fünf Monaten Korrektionshaft verurteilt worden; um-
gekehrt wird jeder gegen Deutsche verübte Exzeß entschuldigt
und beschönigt. Wenn dieser Haß schon jetzt Nahrung findet,
wo doch nur Leute nach Paris gehen, welche sich zu be-
nehmen wissen oder zu jener üblen Sorte von Deutschen ge-
hören, die im Interesse des Erwerbs alle Demütigungen ge-
duldig hinnehmen — welche zornige Stimmung wird auf
beiden Seiten auflodern, wenn etwa von deutschen Aus-
stellern infolge selbstbewußten, hochfahrenden Auftretens Hän-
del provoziert werden. Diplomatische Reklamationen, die dann
nicht ausbleiben können, würden Frankreich gegenüber des-
wegen gefährlich sein, weil man ihre Wirkungen nicht voraus-
sehem kann. Als auswärtiger Minister muß ich es aus-
sprechen, daß nicht durch die Ablehnung der Beschickung,
sondern durch die Beschickung selbst voraussichtlich die Be-
ziehungen Deutschlands zu Frankreich getrübt werden.
Darüber, daß unsere Industrie zurückgegangen, kann kein
Zweifel herrschen. Die Leistungen der Arbeiter sind ge-
ringer, die Löhne höher geworden. Ein großer Bruchteil
der Industrie muß auf Verlustkonto des Nationalvermögens
arbeiten. Infolge des wachsenden Einflusses der Sozialdemo-
kratie, die bei uns größer ist, als in anderen Ländern, ist
der Arbeitslohn neben geringeren Leistungen so übermäßig