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ich fast unterliege. Ich bin erst wenige Tage in Berlin, und
muß bereits die Beobachtung machen, daß meine Kräfte nicht
ausreichen. Mein Arzt sagt mir, daß ich, wenn ich mich
schone, noch eine hübsche Anzahl von Jahren leben kann:
sollte ich aber die jetzige Lebensweise hier fortsetzen, so würde
ich im Frühjahre schlecht daran sein. — Was mich am meisten
drückt, ist die Verantwortlichkeit, die ich trage, und die
beständige Notwendigkeit, mit höfischen Einflüssen — männ-
lichen und weiblichen Geschlechts, kämpfen zu müssen, die sich
beständig beim Kaiser geltend machen. Ich gebe zu, daß
sie mir nichts ankönnen, wenn ich zur Stelle bin — lebe
ich aber fern von Berlin, dann heißt es Briefe auf Briefe
schreiben, und unter dieser Situation breche ich zusammen.
Ja, ich muß fort von hier, und ich werde den ganzen Winter
auf dem Lande zubringen, nur dort kann ich leben, wie
es mir gut tut. Und wenn es nicht anders geht, werde ich
meine Entlassung nehmen, aber sodann die Gründe, die mich
dazu bewogen haben, laut verkünden. — Da beneide ich
doch die Situation eines englischen oder russischen Premier=
ministers; in beiden Staaten — so verschieden auch ihre Ver-
fassung ist, wird an einem Minister nicht von so verschie-
denen Seiten herumgezerrt. Hier habe ich zu rechnen mit
dem Parlament auf der einen Seite, und dem König auf
der anderen Seite. Ich bin der Arbeit, der Aufregung
und den Quengeleien nicht mehr gewachsen, und sehne mich,
Berlin zu verlassen, und meine jetzige Stellung aufzugeben.
Soeben sagte ich dies dem König; aber diesem steigt dann
immer gleich das Blut in den Kopf, und es überkommt ihn
der Aerger. Er will mich nicht ziehen lassen: Sehen Sie
mich an, ich bin achtzehn Jahre älter als Sie, halte doch
aus. — Das wundert mich nicht — entgegnete ich — in
der Regel ist das Pferd müder als der Reiter. Ich habe
dem Vaterlande meinen Tribut bezahlt, jetzt brauche ich
Ruhe und ich kann mich aus der ministeriellen Laufbahn