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auffällige Vorliebe und werde sie gewiß eines Tages annek-
tieren.
Bismarck: „Nein, Sie irren sich, wir haben gerade ge-
nug Katholiken, um nicht noch mehr zu wünschen.“
Man sprach damals von dem möglichen nahen Tode Pio
Nonos und Crispi fragte, ob Bismarck in diesem Falle einen
rückschrittlichen oder einen liberalen Papst vorziehen würde.
Bismarck: „Sie sind doch alle gleich, reaktionäre oder
liberale. Das Papsttum ist eine feste Einrichtung. Das
Uebel steckt in ihm, und kein Papst, er mag sein wie er
wolle, kann nach seinem Willen handeln.“
Das Gespräch wandte sich dem Kriege von 1866 zu.
Bismarck: „Nach dem Tage von Königgrätz hat der
König mit den Truppen in Wien einrücken wollen, ich aber
habe mich widersetzt, und der König hat nachgegeben. Man
durfte Oesterreich nicht demütigen, das später einen guten
Verbündeten abgeben konnte.“
Die Verhältnisse liegen heute nicht mehr so wie im
Jahre 1866, damals ist Preußen im Interesse seiner Selbst-
erhaltung gezwungen gewesen, ein Bündnis mit einer aus-
wärtigen Macht gegen Oesterreich einzugehen. Letzteres, die
damalige Präsidialmacht in Deutschland, würde dasselbe ge-
tan haben, wenn Napoleon III. zugänglicher gewesen wäre.
An Versuchen hat es gewiß nicht gefehlt, selbst bekannte da-
malige mittelstaatliche deutsche Minister haben sich nicht ge-
*) Nach einer Erzählung Crispis im „Neapeler Matino“.
Nach dem Tode Bismarcks sagte Crispi von demselben: „Viele
vergleichen Bismarcks Werk mit demjenigen Cavours. Das ist
ein Irrtum. Die italienische Einheit ist zumeist das Werk des
Volkes mit Garibaldi an der Spitze. Cavour hat es nur diplo-
matisch gesichert (diplomatizzarla). Bismarck hatte einen großen
Verstand und ein sehr edles Herz, aber seine Feinde stellen
ihn dar als einen harten Mann und Heuchler (simulatore).
Nichts ist falscher. Er sagte stets die Wahrheit und behauptete,
das sei immer die beste Politik.“