Full text: Rechtslexikon. 1. Band: A-K (1)

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den ungemein großes Gewicht gelegt 
wird, vgl Mommsen RömStR III 1, 
19f; Darembert und Saglio s. v. 
gens. In Zusammenhang hiermit steht es, 
daß die einzelnen gentes auch besondere 
Begräbnisplätze besitzen, vgl Sueton Tib 
cap 1. 
Die Quelle der privatrechtlichen Bedeu- 
tung der gentes ist nun die, daß ursprüng- 
lich die gens die alleinige Trägerin des 
Rechtes an Grund und Boden war, denn 
auch die erste Ansiedelung der Italiker 
ist nach derselben Regel, die wir allenthal- 
ben beobachten können — vgl Schurz 
Urgesch d. Kultur 174—175 —, geschlech- 
terweise vor sich gegangen, wie uns die 
Pfahldörfer in der Poebene bezeugen, von 
denen jedes wahrscheinlich von einer ein- 
zigen Sippe bewohnt wurde, der das ge- 
samte Land gemeinsam gehörte. Einen 
hiervon nur wenig abweichenden Rechts- 
zustand werden wir auch für das älteste 
Rom annehmen müssen, denn, obwohl 
sich hier schon Haus und Hofstätte, das 
sog heredium, in den Händen der einzel- 
nen Hausgenossenschaften befinden, ist 
das Ackerland noch Gesamtgut der gen- 
tes, was der Umstand beweist, daß die 16 
ältesten tribus rusticae die Namen römi- 
scher gentes tragen, was darauf hindeutet, 
daß ihr Areal einst das Ackerland der be- 
treffenden gens gebildet hat, vgl Mo mm- 
sen RömStR III 1, 168. 
Dieser ager gentilicius wurde später un- 
ter die einzelnen Gentilen aufgeteilt, und 
wenn so auch das Grundeigentum der 
gentes schon relativ früh verschwunden 
ist, hat es dennoch deutliche Spuren hin- 
terlassen, so den ager compascuus — 
a.A. allerdings Weber RömäAgrarge- 
schichte 124 — und vor allem das Erb- 
recht der Gentilen (s. d.). 
Auf derselben Grundlage endlich beruht 
es, daß in einzelnen Fällen, in denen ein 
Mitglied zu der gehörigen Verwaltung des 
gemeinschaftlichen Gutes unfähig ist, die 
Gesamtheit der Gentilen für ihn eintritt, 
woraus sich die gentilizische tutela und 
cura entwickelt hat (s. a) Weitere An- 
gaben s. Jhering Geist ll 186, 188. 
Die gentilizischen Rechte haben sich bis 
zum Beginne der Kaiserzeit erhalten. Erst 
dann begannen sie infolge der immer wei- 
ter vorschreitenden Verdrängung der rei- 
nen vaterrechtlichen Verwandtschaft 
durch das Kognationsprinzip außer Übung 
zu kommen. Der unter den Antoninen 
  
Gens — Gentz. 
schreibende Gaius bezeichnet sie als ab- 
gestorben, G III $ 17. 
Mommpsen RömStR 8 ı S9ff; Darembert und 
Saglio Dictionnaire des antiquitss etc s. v. gens; Jhering 
Geist des röm Rechts 1 188 ft. Erdmann. 
Gentilis, Albericus, * 1551 in San Si- 
nesio (Mark Ancona), erlangte mit 21 Jah- 
ren die Doktorwürde in Perugia und lebte 
als Richter in Ascoli, verließ jedoch 1580 
seines Glaubens wegen die Heimat, um 
nach England überzusiedeln, wo er als 
Advokat des Königs von Spanien in Eng- 
land, seit 1582 als Professor regius juris 
civilis in Oxford, 19. Juni 1608 f. Sein 
Hauptwerk (zuerst als Commentationes 
de jure belli London 1588—89 erschie- 
nen, dann umgearbeitet als) De jure belli 
libri tres, Hanau 1598 (u. ö., beste Aus- 
gabe herausg von Holland, Oxford 1877) 
zeigt ihn mit seiner Forderung des freien 
Verkehrs zur See, die er mit Rücksicht auf 
die Ansprüche Englands stellte, und der- 
jenigen eines durch von den europäischen 
Völkern anerkannte Normen geregelten 
völkerrechtlichen Verkehrs als den bedeu- 
tendsten Vorläufer des Grotius, dessen 
Methode er übertrifft (induktiv-empirische 
Konstruktion des Völkerrechtes aus Be- 
obachtung der internationalen Gewohn- 
heiten, Verwertung neuester Völkerrechts- 
fälle zur Beispielgebung im Gegensatz zur 
philosophisch-deduktiven Begründung des 
Völkerrechtes aus einem allgemein be- 
haupteten und durch Beispiele aus klassi- 
schen Schriftstellern bewiesenen Consen- 
sus gentium). Unter seinen Schriften sind 
noch zu verzeichnen: De legationibus 
libri III, London 1585 (u. ö.), De justitia 
belli, London 1590 (u. ö.) u. a. Boxenz. 
Gentz, Friedrich von, * 2, Mai (oder 
8. Sept) 1764 zu Breslau, wurde 1786 Ge- 
heimer Sekretär beim Generaldirektorium 
in Berlin, 1793 Kriegsrat, trat 1802 als 
Hofrat bei der Kaiserlichen Hof- und 
Staatskanzlei in den österreichischen 
Staatsdienst, wo er (seit 1810) der Ver- 
traute Metternichs wurde, und war Proto- 
kollführer und erster Sekretär auf dem 
Wiener Kongreß und bei den Pariser Frie- 
denskonferenzen (1815) sowie auf den 
Kongressen zu Aachen (1818), Karlsbad 
und Wien (1819), Troppau (1820), Laibach 
(1821), Verona (1822), Er + am 9. Juni 
1832 in Weinhaus (bei Wien). 
Seine publizistische Tätigkeit (in der ihn 
seine meisterhafte Beherrschung der deut- 
schen Sprache unterstützte), begann er als 
Anhänger der französischen Revolution,
	        
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