Full text: Rechtslexikon. 1. Band: A-K (1)

Amtsgericht. 
Seit dem 1. Januar 1900 sind die Amts- 
gerichte reichsgesetzlich auch die ordent- 
lichen Gerichte für die Angelegenheiten 
der freiwilligen Gerichtsbarkeit. (F 35, 65, 
69 u. a.; im einzelnen s. unten!) 
Die Amtsgerichte bilden die niederste 
Ordnung der ordentlichen Gerichte. Sie 
haben von den Gerichten die kleinsten zu- 
gehörigen Bezirke; ein Amtsgerichtsbezirk 
oder mehrere bilden den Bezirk des über- 
geordneten Landgerichts. Die Sitze und 
Bezirke der deutschen Amtsgerichte sind 
aus Anlaß der Justizgesetzgebung von 
1877 innerhalb der Einzelstaaten bestimmt 
worden, in Preußen auf Grund des 
Ausf-G 21 durch Königliche Verordnung 
vom 26. Juli 1877, prGS 275, und vom 
5. Juli 1879, prGS 399; seitdem sind aber 
mehrfache Veränderungen vorgenommen. 
(Im einzelnen s. Jahrbuch für preußische 
Gerichtsverfassung 1908 $ 2 Anm 5 
56,7.) Außerhalb des Gerichtssitzes kön- 
nen Gerichtstage abgehalten werden. 
(Für Preußen s. Ausf-G 22.) 
Die richterlichen Geschäfte der Amts- 
gerichtete werden durch Einzelrichter 
(Amtsrichter G 26, 30 u.a.) erledigt, G 22. 
Doch ist es nicht ausgeschlossen, daß 
durch Landesrecht in den Angelegenhei- 
ten der freiwilligen Gerichtsbarkeit Ab- 
weichendes bestimmt wird, was aber in 
Preußen nicht geschehen ist. (Vgl 
Birkenbihl F Anm 3 zu $ 1.) Über 
die Verteilung der Geschäfte unter meh- 
rere Richter eines Amtsgerichts, sowie 
über die Vertretung eines Amtsrichters 
enthält das G keine Bestimmung. Für 
Preußen sind Ausf-G 23f maßgebend. 
Danach werden, wenn die Amtsgerichte 
mit mehreren Richtern besetztsind, die Ge- 
schäfte nach örtlich abgegrenzten Bezirken 
oder, wenn das Interesse der Rechtspflege 
dies erfordert, nach Gattungen oder nach 
Gattungen und Bezirken verteilt. Die Ver- 
teilung erfolgt durch das Präsidium des 
Landgerichts im voraus auf die Dauer 
eines Jahres, Ausf-G 23 Abs 1. Die Gül- 
tigkeit der Amtshandlung eines Amts- 
richters wird dadurch nicht berührt, daß 
diese Handlung nach der Geschäftsver- 
teilung von einem anderen Amtsrichter 
vorzunehmen gewesen wäre, prAusf-G 23 
Abs 2. Mehrere Richter desselben 
Amtsgerichts vertreten sich wechselseitig 
in der durch das Präsidium des Landge- 
richts im voraus bestimmten Reihenfolge, 
Ausf-G 24 Abs 1; wegen der Vertretung 
Posener Rechtslexikon I. 
  
  
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durch Richter benachbarter Amtsgerichte 
s. Ausf-G 24 Abs 2 u. 3. 
Der Amtsrichter oder, wenn das Gericht 
mit mehreren Richtern besetzt ist, einer 
von ihnen (bei größeren Gerichten meh- 
rere) führt die allgemeine Dienstaufsicht, 
G 22. Ob diese sich auch auf die richter- 
lichen Beamten erstreckt, ist nach Landes- 
recht zu entscheiden; in Preußen bezieht 
sie sich nur auf die nichtrichterlichen Be- 
amten. (Ausf-G 79f; wegen des Amtsge- 
richtspräsidenten in Berlin s. Ges vom 
25. Juni 1892, prGS 77.) 
Bei den Amtsgerichten werden Schöf- 
fengerichte gebildet; auch kann bei einem 
Amtsgericht eine Strafkammer gebildet 
werden (s. d.; vgl auch G 100 Abs 2 
wegen der Kammern für Handelssachen). 
Zuständigkeit der Amtsgerichte und 
des Amtsrichters. 
I. Zuständigkeit in Strafsachen. 
A. Zur Verhandlung und Entscheidung 
von Strafsachen ist, da hierzu bei den 
Amtsgerichten Schöffengerichte (s. d.) ge- 
bildet sind, der Amtsrichter allein nur aus- 
nahmsweise berufen, nämlich bei Über- 
tretungen im Falle der Vorführung des 
Beschuldigten, der die Tat einräumt, 
C 211 Abs 2, außerdem nach Landesrecht 
bei Forst- und Feldrügesachen, Einf-C 3; 
pr Forstdiebstahlsges. 19. Außerhalb der 
Hauptverhandlung trifft der Amtsrichter 
an Stelle des Schöffengerichts die erfor- 
derlichen Anordnungen und Entscheidun- 
gen, G 30 Abs 2; C 197, 200, 207, 455, 
501. 
B. Im übrigen sind die Amtsgerichte in 
Strafsachen zuständig, G 24: 
1. für die Entscheidung über Erlaß und 
Aufhebung eines Haftbefehls vor Er- 
hebung der öffentlichen Klage, C 125, 126, 
sowie für die Vernehmung und Frei- 
lassung von Festgenommenen gemäß 
C 128f, 132; 
2. für die Vornahme richterlicher Unter- 
suchungshandlungen im vorbereitenden 
Verfahren, C 160, 163 f; 
3. für die Führung von Voruntersuchun- 
gen, die ihnen gemäß C 183 f übertragen 
werden; 
4. für den Erlaß von Strafbefehlen, C 
447, vgl auch C 463; 
5. für die Strafvollstreckung in amts- 
und schöffengerichtlichen Sachen, wenn 
sie den Amtsrichtern übertragen ist, C 483 
Abs 3; für Preußen: AV vom 14. August 
: 1879, Forstdiebstahlsgesetz 33; 
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