Full text: Rechtslexikon. 1. Band: A-K (1)

698 
tag des Nordd Bundes auf Sonntag den 
24. Febr 1867 nach Berlin einberufen. Im 
allgemeinen hielt der Reichstag trotz sehr 
zahlreicher tiefeingreifender Abände- 
rungsvorschläge an den Grundgedanken 
des Entwurfs fest und erwarb sich das 
Verdienst, den Entwurf an einer bedeu- 
tenden Anzahl von Stellen erheblich ver- 
bessert zu haben. Am 16. April 1867 hat 
der Reichstag die Beratung des Entwurfs 
zu Ende geführt und ihn in der Gestalt, wie 
er aus dieser Beratung hervorgegangen ist, 
mit 230 gegen 53 Stimmen angenommen. 
An demselben Tage beschlossen die Be- 
vollmächtigten der Regierungen einstim- 
mig, den Entwurf in dieser Fassung eben- 
falls anzunehmen. Da der Reichstag nur 
zur Beratung des Entwurfs zuständig war, 
so bedurfte die von den Regierungen er- 
klärte Annahme desselben noch der ver- 
fassungsmäßigen Genehmigung der Ge- 
setzgebungsfaktoren der einzelnen Staa- 
ten. Dieselbe ist in allen zum Nordd 
Bunde gehörenden Staaten erteilt worden, 
und in allen ist die Verfassung in formge- 
rechter Weise verkündet worden. Alle 
diese Publikationspatente enthalten die 
Bestimmung, daß die V in den betreffen- 
den Staatsgebieten ‚am 1. Juli 1867 in 
Kraft treten soll“. Diese Publikationen 
haben zu der irrigen Ansicht Anlaß ge- 
geben, daß die V ein gleichmäßiges Lan- 
desgesetz sämtlicher verbündeter Staaten 
geworden sei. Die logische Konsequenz 
dieser Ansicht wäre, daß jeder Staat die 
Befugnis hätte, eigenmächtig durch Lan- 
desgesetz die V für sein Gebiet abzuän- 
dern oder außer Kraft zu setzen. Diese 
Meinung ist aber unrichtig. Wenngleich 
die V des Nordd Bundes in das Verfas- 
sungrecht der einzelnen Staaten tief ein- 
greift, so hat sie doch nicht das Staatsrecht 
der Einzelstaaten zum Gegenstand, son- 
dern sie regelt das Verhältnis dieser Staa- 
ten zueinander, sie setzt eine Vielheit von 
Staaten voraus, und sie betrifft das durch 
den Zusammenschluß dieser Staaten ent- 
standene Rechtsgebilde. Die nordd Staa- 
ten vollzogen durch Gründung des Nordd 
Bundes eine Tat, einen Willensentschluß. 
Derselbe wurde dadurch verwirklicht, daß 
jeder Staat in der Form des Gesetzes ihn 
öffentlich bekundete. Der Entschluß, in 
den Nordd Bund einzutreten, konnte aber 
in keiner anderen Weise mit der erforder- 
lichen Bestimmtheit ausgedrückt werden 
als durch die Verkündigung seiner V, 
  
Gründung des Norddeutschen Bundes — Grupen. 
durch welche der Name Nordd Bund erst 
einen konkreten und festbestimmten In- 
halt erhält. Die Klausel: „Die V des Nordd 
Bundes tritt in dem Gebiete des Staates X 
am 1. Juli 1867 in Kraft,‘ ist vollkommen 
identisch mit dem Satze: „Der Staat X 
tritt am 1. Juli 1867 in den Nordd Bund 
ein.‘ Die Publikationsgesetze sind die de- 
finitive und vollständige Erfüllung des 
Augustbündnissess. Am 1. Juli 1867 ist 
der Nordd Bund errichtet worden; die 
durch das Augustbündnis begründeten 
Verpflichtungen der Staaten waren erfüllt, 
und an die Stelle dieses vertragsmäßigen 
Verhältnisses trat die Verfassung. Als am 
14. Juli 1867 der König von Preußen den 
Grafen von Bismarck zum Bundeskanzler 
des Nordd Bundes ernannte, am 26. Juli 
1867 die Einführung des Bundesgesetz- 
blattes anordnete und in der ersten Num- 
mer desselben die V abdrucken ließ, war 
der Nordd Bund schon vorhanden und 
die V desselben bereits in Geltung; und 
König Wilhelm handelte bereits auf Grund 
derselben kraft der durch diese V ihm 
übertragenen Rechte. Der Abdruck der 
V im BundesGBl ist kein Gesetzgebungs- 
akt und keine Verkündigung im Rechts- 
sinn, sondern lediglich die Bekannt- 
machung des authentischen Wortlauts. 
Das Verhältnis des Nordd Bundes zu 
den südd Staaten war vertragsmäßig ge- 
regelt. Gleichzeitig mit den Friedensver- 
trägen wurden Schutz- und Trutzbünd- 
nisse geschlossen, in welchen für den Fall 
eines Krieges der Oberbefehl über die 
Truppen der südd Staaten dem Könige 
von Preußen übertragen wurde. Der Zoll- 
verein wurde aufrecht erhalten und durch 
den Zollvereinsvertrag vom 8. Juli 1867 
fester organisiert durch Erweiterung des 
nordd Bundesrats und Reichstags zum 
Zollbundesrat und Zollparlament. Die 
vor dem Kriege unter den deutschen Staa- 
ten abgeschlossenen Verträge wurden 
wieder in Kraft gesetzt und durch neue 
ergänzt. Endlich enthielt die V des 
Nordd Bundes den Vorbehalt, daß der 
Eintritt der südd Staaten oder eines der- 
selben in den Bund auf Vorschlag des 
Bundespräsidiums im Wege der Bundes- 
gesetzgebung erfolgen könne; hiervon 
wurde aber während des kurzen Be- 
stehens des Nordd Bundes kein Gebrauch 
gemacht. Laband. 
Grupen, Christian Ullrich, * Juni 1692 
in Harburg, wurde 1715 Advokat, 1719
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.