Full text: Die Kultur der Gegenwart. Band 2.8. Systematische Rechtswissenschaft. (8)

II. Die Abgrenzung des Handels und der Handelsgerichtsbarkeit. I6I 
sachumgestaltender Fabrikbetrieb und Verlags- sowie Buchdruckereigeschäfte 
und dazu Gehöriges; an diesen objektiven Ausgangspunkt des Systems wird dann 
die personelle Fortsetzung desselben gereiht: wer eines oder mehrere dieser 
Geschäfte gewerbsmäßig betreibt, ist Kaufmann, und alle Geschäfte eines 
Kaufmanns, die zum Betriebe seines Handelsgewerbes gehören, sind Handels- 
geschäfte; Handelsgeschäfte aber und die Rechtsverhältnisse des Handelsstandes 
als solchen sind Handelssachen, und eben für Handelssachen gilt das Handelsrecht. 
So wird der Umfang des Geltungsgebiets des materiellen Rechtes durch 
den Begriff der Handelssachen, auf dem der des Kaufmanns positiv-rechtlich 
steht, begrenzt; ebenso aber auch die Handelsgerichtsbarkeit, wenn eine solche 
anerkannt ist. 
So wichtig die Existenz und Betätigung einer besonderen Handelsgerichts- 
barkeit, ausgeübt durch bürgerliche Standes-, Fach- oder Zunftgerichte, für 
das Werden des Handelsrechts als Standesrecht der Kaufleute in Zeiten der 
politischen Teilung der Bevölkerung nach Ständen auch war, so wenig ist für 
die Zeit des allgemeinen Staatsbürgertums und eines allseitig gebildeten Juristen- 
standes der Bestand eigener Handelsgerichte zu befürworten; es ist in dieser 
Zeit die Handelsgerichtsbarkeit durch die ordentlichen Gerichte auszuüben. 
Der staatsverfassungsmäßige Grundsatz: niemand soll seinem ordentlichen 
Richter entzogen werden, bedeutet, daß Standesgerichte mit einem Grundsatze 
des modernen Staates in Widerspruch stehen. Das Äußerste, was den doch 
noch vorhandenen Schwärmern für kaufmännische Standesgerichte noch zu- 
gegeben werden kann, ist, daß in einer bestimmten Instanz — aber nicht in 
der höchsten oder Revisionsinstanz — eine Mitwirkung kaufmännischer Bei- 
sitzer unter dem Vorsitz eines rechtskundigen Richters stattfinde, — eine Ein- 
richtung, welche in Deutschland in den nach Ermessen der Landesjustizverwal- 
tung zu errichtenden „Kammern für Handelssachen‘' als Abteilungen der Land- 
gerichte zu erblicken ist. Etwas anderes als diese „kaufmännischen Schöffen- 
gerichte‘' sind die Gewerbegerichte und die Kaufmannsgerichte (letztere wesent- 
lich für Streitsachen zwischen Handlungsgehilfen und ihren Prinzipalen), beide 
* Arten von Gerichten auf Grund besonderer Reichsgesetze nun in Deutschland 
bestehend (erstere nach Reichsgesetz vom 29. Juli 1900, letztere nach Reichs- 
gesetz vom 6. Juli 1904). Man ist mit der Kreierung von solchen Sondergerichten 
auf einen Weg geraten, der im Interesse einer gründlichen und einheitlichen 
Rechtspflege nicht mehr viel weiter zu verfolgen sein dürfte. 
Wo „Kammern für Handelssachen‘‘ bestehen, fungieren sie übrigens nicht 
bloß als entscheidende Gerichte in der einseitigen, gegen Kaufleute gerichteten 
Gerichtsbarkeit, sondern — in zweiter Instanz über dem Registerrichter — 
in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Dem Registerrichter aber 
und, in zweiter Instanz , den ‚Kammern für Handelssachen‘‘ ist die Eintragung 
der Firmen, Prokuren und Gesellschaften (mit deren Vertretungen usw.) in 
die als öffentliche Register zu führenden, mit den Zunftmatrikeln zu vergleichenden 
und wohl auch geschichtlich damit zusammenhängenden Handelsregister über- 
tragen. Diese Eintragung ist besonders in denjenigen Fällen wichtig, wo ihr 
Kultur der Gegenwart. Il. 8. 2. Aufl. ıı 
Handelsgericht» 
barkeit.
	        
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