Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 27. und 28. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. Fünftes bis neuntes Buch. (27)

166 Sechstes Buch. Zweites Capitel. 
Linnen er von seinem Garn zu fordern habe. In den Jahren 1734 
bis 1736 erhielten 63 Gewerke neue Gildenbriefe, um allen einge- 
rissenen Mißbräuchen zu steuern und Jedem sein besonderes Gebiet 
anzuweisen 1). Auch die fünf Handwerke, die man auf dem Lande 
duldete, wurden durch beschränkende Gesetze an die städtischen In- 
nungen gebunden. In den Städten aber untersuchte man nach der 
Zahl der Einwohner und der Summe des Verbrauchs, wie viel Hand- 
werker etwwa in dem einem oder dem andern Zweige noch fehlen und 
daselbst ihre Nahrung finden möchten. Ausländern, welche sich dazu 
melden würden, bot man nicht unansehnliche Begünstigungen dar; 
Einheimische ließ man nur dann zu, wenn sie nachwiesen, daß sie in 
dem Ort ibres Aufenthalts nicht zu bestehen vermöchten. Man or- 
Fanisirte gleichsam die Arbeit, vom monarchischen Standpunkt. 
Und kein Zweifel, daß diese Bemühungen im Allgemeinen einen 
erfreulichen Erfolg hatten. Das Gewerbe selbst konnte in Kurzem 
die Concurrenz der Nachbarn aushalten: die blauen Tuche von Berlin 
erwarben sich einen gewissen Ruf in Europa?). Ein wichtigerer Vor- 
theil ist es, daß die städtische Bevölkerung in der Mark wieder an 
Bestand gewann. Nach den vorliegenden, freilich unvollständigen Listen 
kann man sie in den Jahren 1713 und 1714 wohl nicht höher als 
100,000 anschlagen, wovon gegen die Hälfte auf Berlin kommen; im 
Jahre 1723, von dem wir genau unterrichtet sind, zählte man in den 
märkischen Städten 137,945, im Jahre 1738 206,520 Einwohner. 
Die Bevölkerung war in diesen späteren Jahren um ein Drittheil, 
in der ganzen Regierungszeit wahrscheinlich um die Hälfte gestiegen. 
In der Hauptstadt wuchs die Einwohnerzahl auf achtzigtausend an, 
ungerechnet die Garnison, welche 16,000 Mann betrug. Es leuchtet 
ein, daß der gewerbetreibende Stand hiedurch eigentlich aufs neue 
begründet worden ist. 
Von der Armee darf man wohl sagen, daß ihr Bestehen diesen 
allmählichen Fortgang nicht nur nicht behindert, sondern gefördert 
1) Beckmann, Beschreibung der Mark Brandenburg I, 1158. Er versichert 
überdies, daß das Land durch seine Kamelot--, Etamin= und anderen Fabriken 
im Reich, in Lothringen, Italien, Spanien und Brabant in großes Ansehen 
gekommen. — Die märkische Wollarbeit gebe den übrigen Manufacturen in 
Europa weder an Güte noch an Vielfältigkeit der Waaren etwas nach. 
2) Verzeichnisse in Borgstedts statistisch-topogrophischer Beschreibung der 
Kurmark S. 381. Was Bratring aus den früheren Jahren noch hinzufligt, 
ist fragmentarisch.
	        
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