242 Sechstes Buch. Fünftes Capitel.
er stand auf den Höhen der Gesellschaft, wo es ihm bestimmt zu
sein schien, das Leben selber in heiterer und geistiger Genugthuung
zu genießen, Andere um sich her zufrieden und glücklich zu machen.
Allein wie weit blieb er hievon entfernt. Wir wollen nicht darauf
zurückkommen, was in seiner Familie vorfiel: doch mag noch ein
Wort der Königin erwähnt werden. Man rühnmte ihr einst die treff-
lichen Eigenschaften des Herzens und Geistes, welche die Kaiserin, ihre
Verwandte, am Hofe zu Wien entwickle; sie gestand, daß sie ihr nicht
gleichkomme, aber für die Kaiserin, fügte sie hinzu, sei es auch viel
leichter, ihre Gaben zu entfalten: der lache die Welt, nicht ihr, der
Königin, welche ihre Tage in fortwährender Unruhe hinbringe. Nicht
Alles, was man von den Aufwallungen und Gewaltsamkeiten Friedrich
Wilhelms erzählt hat, ist begründet; was in dem Hause namentlich
in den letzten Jahren vorkam, ist von bezahlten Dienern, die den
Fürsten wohl selbst reizten, fremden Gesandten nicht ohne Ueber-
treibung erzählt und von diesen in ihre Berichte aufgenommen wor-
den 1); aber viel ist doch auch gut beglaubigt und unleugbar. In keiner
andern Beziehung haben sich die allgemeinen Vorstellungen so durch-
aus geändert und vorwärts schreitend entwickelt, als in der Rücksicht,
welche der eingeborenen Menschenwürde gebührt.
Den härtesten Mißhandlungen, wie sie gäng und gäbe gewor-
den, hat sich Friedrich Wilhelm in seinen eigenen Mandaten widersetzt;
aber er selbst war doch keineswegs frei von der Unsitte dieser Art
rücksichtslosen Gebahrens.
Eben die Männer, auf die er von Jugend auf besonders
achtete, wie der Fürst von Dessau und General Grumbkow, ver-
schmähten doch, fast aus Grundsatz, die Cultur des inneren Lebens
und des Gemüthes. Fürst Leopold barg unter den barocken Formen,
mit denen er sich umgab, ein unendliches Talent; in militärischen,
sowie auch administrativen Angelegenheiten hat er den nicht zu be-
rechnenden Einfluß ausgeübt, welchen Gespräch und fortdauernder
Briefwechsel möglich machen auf den keimenden Gedanken, und das
Meiste gelang, was er angab; aber er war selbstsüchtig, berechnet,
durchfahrend, wegwerfend: lange nicht eine so frei aus sich selbst heraus-
1) Wie sehr das, was die meisten Gesandten darüber Woche für Woche
nach Hause berichteten, der Kritik bedarf, zeigen die Worte Valori's 6. Mai
1740: On est sujet d’augmenter ses torts, ct on se tait sur ce qu’il fait
du bien ou on affoiblit Ie mérite de manièrc qu'il wen reste rien. Ia
plupart de ceux qui approchent ce prince Tirritent contre tout le
monde et sont les premiers à charger le récit de ce qui sc passe dans
Pintéricur des circonstances les plus desavantageuses.