346 Siebentes Buch. Fünftes Capitel.
behandelt; der Uebertritt zum Katholicismus oft erzwungen; unauf—
hörlich hatten die Stockmeister widerspenstige Lutheraner in ihrer Haft.
Und noch immer war das Uebergewicht des Katholicismus im
Zunehmen. Während die heiligen Gefäße der Reformirten, in der
Hoffnung auf bessere Zeiten, einem Handelshause in Verwahrung
gegeben werden mußten, durchzogen die katholischen Processionen in
allem Pomp die Straßen von Breslau, eine besonders feierliche im
September 1740, als die Reliquien des heil. Theodor, eben aus
Rom angelangt, nach dem Domstift gebracht wurden. Bei der Thron-
besteigung Maria Theresia's ließen die katholischen Eiferer verlauten,
daß man nun in Schlesien so wenig wie in einer andern Provinz
auf Conventionen mit fremden Mächten Rücksicht nehmen oder eine
Berufung darauf gestatten werde; die kathelische Kirche werde auch
hier ausschließend herrschen. Schon erwarteten die Protestanten noch
einmal — nach der erwähnten Truppenbewegung — die Erneuerung
der antireformatorischen Bedrängnisse. Bei der Ankunft der har-
rachischen Grenadiere, die nach Glogau gingen, meinte man im Lieg-
nitzischen nicht anders, als daß sie eben hiezu bestimmt seien; am
dritten Adventsonntage (11. Dec.) solle ein neues Werk offener Ge-
waltsamkeit beginnen.
Einen Eindruck ohne Gleichen mußte es nun auf sie machen,
daß eben in dem nämlichen Augenblick der mächtigste evangelische
Fürst in Deutschland, der junge König von Preußen in ihren Grenzen
erschien.
Sie zeigten Prophezeiungen auf, die ein solches Ereigniß in
ihren höchsten Nöthen immer angekündigt hatten; sie wußten zu er-
zählen, der König habe einst im Traum die Provinz in Flammen
stehen sehen, und dreimal hintereinander habe ihn eine vernehmliche
Stimme ermahnt, ihr zur Hülfe zu eilen; sie erblickten in ihm einen
ihnen vom Himmel geschickten Schutzengel!).
Wie sonderbar, daß einem von dem positiven Glauben der pro-
testantischen Kirche abgewandten Fürsten dieses überschwängliche Ver-
trauen derselben entgegenkam. Was bei ihm Politik und Ehrgeiz
war, umkleideten sie mit religiöser Phantasie. Seinen persönlichen
Meinungen fragten sie nicht weiter nach, als insofern sie ihnen Heil
brachten: sie hielten sich mit Recht nur daran, daß er der König
eines protestantischen Reiches war; wenn es ihm einigermaßen gelang,
so mußte er ihnen helfen.
1) Tagebuch des Feldprediger Seegebart. Ms.