Chemnitz und Pufendorf. 597
sragmentarischen Charalter und war nicht geeignet, in Europa Eindruck zu
machen. Dafür bedurfte es eines zusammensassenden Werkes, welches Pufen-
dorf, an stetige und rasche Arbeit gewöhnt, wie er war, im Jahre 1686 im
Haag erscheinen ließ.
Daß er die Arbeit von Chemnitz benutzt habe, sagt er selbst sehr aus
drücklich. Für die Nachwelt und die heutige Forschung ist es aber von Wich-
tigkeit, das Verhältniß der beiden Texte näher zu erörtern. Indem Pufen-
dorf einen Auszug aus Chemnitz anfertigt, weicht er doch auch nicht selten,
und er selber legt viel Werth darauf, von seinem Original ab. Er flicht Nach-
richten ein, die man bei Chemnitz nicht findet; sie sind nicht gerade von Be-
deutung, wie wenn er einmal meldet, es hätte wenig daran gefehlt, daß bei
dem Tode Gustav Adolfs Freudenfeuer in Parie angezündet worden wären.
Er liebt es, fast in der Weise der Pragmatiker des 18. Jahrhunderts, politische
Absichten, die mit einer Handlung verbunden gewesen seien, anzudeuten, ohne
gerade urkundlichen Grund dafür zu haben. So wenn er schreibt: der eng-
lische Gesandte habe in Heilbronn die Stände aufmerksam gemacht, wie ge-
fährlich ihnen die französische Einwirkung einmal werden könne. Chemnitz
hatte sich begnügt zu bemerken, daß sein Reichskanzler durch die Beschlltzung
des Kurfürsten von der Pfalz den Wünschen des englischen Hofes zuvor-
gekommen war. Bei den Betrachtungen, welche Oxenstierna nach dem Tode
Gustav Adolfs über die Schwierigkeiten, seiner Lage macht, läßt Pufen-
dorf denselben sagen, die deutschen Fürsten würden ihm nicht folgen wollen
als einem Geringern und einem Fremden. Chemnitz hat nur, daß der deut-
schen Kursfürsten Dignität, Präeminenz und Hohheit ihm, als geringen
Standes, hinderlich sein würden; denn ein Fremder war ja auch Gustav Adolf
gewesen, dem aber hatten sie sich wegen seiner königlichen Würde gefügt.
Im Allgemeinen aber wird die Angabe Pufendorfs nicht unrichtig sein.
Ueberall nimm: Pufendorfen Stoff, den er bei Chemnitz findet, herüber; allein
sehr genau und streng verfährt er dabei nicht. Bei Chemnitz lesen wir, der
König von Frankreich habe dem Reichskanzler Meldung von einer Gesandtschaft
an den Kaiser gemacht, in welcher demselben erklärt werden solle, wie er mit der
Krone Schweden und den sämmtlichen Protestirenden in Deutschland sich ver-
einigt habe und ihnen gegen ihre Feinde beistehen wolle, weshalb er sich eines
anderen bedenken und auf billig mäßige Conditionen einen friedlichen Vergleich
eingehen möge. Bei Pufendorf vermißt man die Erwähnung der deutschen
Protestanten, die doch an dieser Stelle sehr wesentlich ist. Er spricht nur von
einer „legatio de sua cum Suecis societate expositura istumque ad acquas
Pacis conditiones amplectendas tractura“.
Bei der Art der Arbeit war es unvermeidlich, daß das Charakteristische
des Details wegsiel, was man an sich nicht tadeln könnte; es zeigt vielmehr
das Bestreben der Historiographie, sich von dem Einzelnen zu dem Allgemeinen
zu erheben. Daher rührt es aber wieder, daß man über wichtige Angelegen-
heiten, namentlich über den Lauf der Unterhandlungen nicht hinreichend unter-
richtet wird. Der Forscher bleibt dafllr immer auf Chemnitz angewiesen.
Wenn nun aber auch dieser die Sache nicht von Grund aus kennt, so wird
man durch die Ueberarbeitung Pufendorss noch weiter von der Wahrheit der
Thatsachen abgeführt.