Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 29. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. (29)

Hiebeutes Gapitel. 
Feldzug in Sachsen, November und December 1745. 
Maria Theresia hatte nicht mehr den Jugendreiz, der, vom Un- 
glück gehoben, solange sie nur angefeindet, gütig, unschuldig und stand- 
haft erschien, sie unwiderstehlich machte; ihre Züge waren stärker, ihre 
Haltung stolzer, majestätischer, ihr ganzes Wesen selbstbewußter ge- 
worden. Früher hatte sie viel Neigung zu Festlichkeiten des Hofes, 
Maskenbällen, musikalischen Uebungen gezeigt; jetzt gefiel sie sich vor 
allem zu Pferde; sie ritt mit einer Raschheit daher, welche ihre Freunde 
in Schrecken setzte. Die Sorge für die Erhaltung ihrer Schönheit lag 
ihr ferne; sie setzte sich jeder Witterung aus; eine natürlich kräftige 
Constitution ließ sie Alles ertragen, was andern unerträglich war. 
In der Stadt erschien sie so einfach wie möglich; man sah sie, bürger- 
lich gekleidet, nach damaliger englischer Sitte, ihre Freundinnen auch 
zu Fuß besuchen; dem entspricht es sehr wohl, daß sie sich ihren Re- 
gierungspflichten mit dem größten Eifer unterzog. Alle Morgen von 
sechs bis zehn las sie die eingegangenen Depeschen und Gesuche, und 
gab ihre Resolution; sie ward dabei, wie der König von Preußen, 
nur von einem Cabinetssecretär unterstützt. Ihre Hauptgesichtspunkte 
waren: Abschaffung der Mißbräuche der Verwaltung und Erhebung 
des Soldatenstandes. Sie hatte auch hier das System des Königs 
von Preußen, den sie bekämpfte, unaufhörlich im Auge, in kleinen 
Dingen und in der Hauptsache. Nicht eben zur Zufriedenheit des 
hohen Adels zog sie einsache Offiziere an ihre Tafel; sie sagte laut, 
unter ihr werde Niemand sein Glück machen, wer den Degen nicht 
tapfer führe; sie suchte selbst die Generale aus, denen sie das Com- 
mando anvertraute: mit gutem Bedacht pflegte sie die Anhänglichkeit 
des gemeinen Soldaten. Von dem Geiste des Jahrhunderts, der von 
13“
	        
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