Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 29. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. (29)

54 Zehntes Buch. Drittes Capitel. 
spruch mit dem Willen seiner Mutter, aber einverstanden mit den 
Generalen, zum Rückzug, der nicht ohne große Beschwerden und Ge- 
fahren vollzogen ward. Der neben dem Infanten commandirende 
General Mina hat selbst zuerst sein Gepäck in den Abgrund geworfen, 
und Alle folgten seinem Beispiel; Feldgeschütz und Maulthiere fielen 
den Thalleuten in die Hände. 
Zu gleicher Zeit rückten Oesterreicher und Sardinier, jetzt unter 
der Anführung des Fürsten Lobkowitz, gegen das spanische Heer im 
Kirchenstaat vor und brachten es zum Weichen. Gegen Ende October 
1743 bezog dasselbe ein Lager bei Pesaro, von wo es sich bei den 
ersten Bewegungen des Feindes, im März 1744, über den Tronto 
in das Neapolitanische Gebiet begab. Da König Carl durch den ihm 
aufgezwungenen Neutralitätsvertrag sich doch nicht abhalten ließ, das 
Heer seines Vaters aufzunehmen, so schien es um so gerechtfertigter, 
daß man ihn nun selber angriff. Wie es bei den Unterhandlungen 
dieser Art schon immer gegangen, um den österreichischen Gesandten 
in Rom sammelten sich zahlreiche neapolitanische Ausgewanderte, die 
von ihren Freunden im Königreich einen raschen Abfall versprachen. 
Niemand war beflissener als dieser Gesandte, Graf Thun, Bischof 
von Gurk, neue Verbindungen im Neapolitanischen anzuknüpfen, den 
Eifer der Königin durch günstige Nachrichten zu erhalten und die 
Thätigkeit des Heeres und des Fürsten an seiner Spitze aufzurufen. 
Im April 1744 schlug Lobkowitz den Weg über Foligno und Castel- 
lano ein, um, wie so viele frühere Eroberer, auf der großen Straße 
von S. Germano nach Neapel und Campanien vorzurücken 1). Es 
wurden Manifeste verbreitet, welche die Erinnerung an das Haus 
Oesterreich mit vortheilhaften Zusagen verbanden; auch hier bildeten 
die leichten ungarischen Truppen die Vorhut, dann folgte Browne 
mit Grenadieren zu Fuß und zu Pferde, und im Feldlager schmeichelte 
man sich, in kurzem in der Hauptstadt anzulangen. 
So umfassende Aussichten erhoben sich der Königin in Deutsch- 
land und in Italien: es erschien sehr möglich, wenn ihr die englische 
1) Castrucci Bonamici de rebus ad Velitras gestis commentarius. 
Cardinal Aquaviva, der besondere Beschützer des Autors, schrieb an den König: 
Lobcowizio esse in animo, — commodiore itinere Neapolim petere mazima 
cum spe, quam vani etiam rumores alant, fore ut propinquitate exercitus 
sui Campania omnis ipsaque arz ei caput regni Neapolis ad rebellandum 
resurgat. Dieser Autor sucht die Alten, bejonders Cäsar, nachzuahmen, aber 
freilich war sein Gegenstand nicht danach. Er laßt es nicht an Fleiß fehlen, 
sich zu unterrichten.
	        
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