12 Erziehungslehre- und Staat#lchte im allgemeinen.
haft” (Kellinef, 163). Das zeigt, wie ungemein wichtig die ftaatstreue
Erziehung und Bildung ift. Man hat nun den Staat auf mannigfache Weife
religiös-theologifch zu begründen verfucht. Paulus führte die Obrig-
feit auf göttlichen Urfprung zurüd (MRömer 13). Seitdem mühte fi die
Philofophie, den Staat an fid) oder den der Wirklichkeit gottesmiffenfchaftlich
zu rechtfertigen. Boffuet bewies 3. B., daß der unumicräntte Staat
(Zubmig3 XIV.) die befte, gottgemwollte Staatsform jei, dak die Könige die
Stellvertreter Gottes und ihr Thron in Wahrheit Gottes Thron fei (Kellinek,
168). Mocten auc diefe theologifchen Rechtfertigungen den jemeiligen
Macthabern höchjit millfommen fein, jo lag doch eine gewaltige Gefahr in
ihnen für den Staat vor. Schon Nuguftin unterfhied ja eine civitas
dei und eine civitas terrena und machte bie leßtere — die man für den
wirklichen Staat erflätte — jener erften — der Kirhe — untertan. Noch
heute berufen fich geivifje fatholifche Staatslehrer auf diefe Theorie, um die
Untertänigfeit de3 Staates, feine Abhängigkeit von der Kirche und Papitge-
malt zu erweifen. Damit ijt aber dem Gtaate feine unbedingte Dafeinz-
beredhtigung beftritten, und Jellinef fann nun mit triftigem Fug be-
haupten: „Somit verfehlen diefe Xehren das praftifche Ziel einer NRechtferti-
gung bes Staates Sie wirken nicht ftaatserhaltend, fondern ftaatszerjtörend”
(©. 169).
Da aber der Gegenmartsftaat die Religionen duldet, fo ift anderfeits
völlig zuläffig, ja erzieheriich unausweichlich, die Rechtfertigungsgründe, melche
ein beitimmter Glaube enthält, für das findliche Bemußtfein und damit aud)
für das der Erwachfenen zur Geltung zu bringen. Dies ijt unerläßlich, weil
eritend das Findlihe Bemwußtjein nad ausgeglichener GEinheit drängt, meil
zweiten? folche Schwierigfeiten, die mohl die miffenfcdhaftlihe Crmägung
fennt, für das Rind noch gar nicht in Betracht fommen. Wenn daher ber
Unterricht mit Paulus den göttlihen Urfprung der SOhrigfeit, des Staates
lehrt, fo macht man damit nur dem Finde die unumitößlide höchite Ver-
nünftigfeit der ftaatlihen Lrönung Far und zeigt, wie Gott der lehte Ur-
grund aller Vernunft und Ymedmäßigfeit it. Mag auch wilfenfchaftlich diefe
Reditfertigung nicht genügen oder einwandfrei fein, Findesgemäß, erziehend
iit fie ohne allen Zweifel, wo man den chriiilichen Gottesglauben anerkennt.
Den entgegengejebten Standpunkt in der Rechtfertigung des Staates
nimmt die Machttheorie ein, die fhon Rlutarch begründete: Daß
der GStärfere herrfche, ift das ältefte und heiligite Gefet. m Anflug an
Hobbe3 fehrte S pinoza in feinem Tractatus theologico-politicus, daß
das Recht jo weit reiche mie die Macht (consequenter uniuscujusque individui
naturale ius eo usque se extendit, quo eius potentia). Bon Den Gozia-
liften der Neuzeit tft diefe ftaatsmwiffenfchaftlihe Machtlehre im nfchluß an
Haller neu ausgebaut worden, fo von Zafalle, Marr, Engels,
Gumplomwicz, Menger, Duguit, FJeze, Haurivou MtEn-
gel3 behaupten fie alle, daß der Staat die Machtgeitaltung der herrichenden
Klaffe ift, m die Beherrfchten niederzuhalten und auszubeuten. Mit diefer
madtpolitiichen Erffärung des Staates hat man den Staat innerlich über-
wunden, feine Unberedhtigung vor dem NRichterftuhl der Vernunft und des
Gemiffens bemiefen. Aus der Rüftfammer diefer Staatserflärung Holt man
die fchneidigften Waffen zur Befämpfung des Alaffenftaates, diefer „Majchine
zur Niederhaltung der unterdrüdten, ausgebeuteten Klaffe” (Engel3 im Ur-
prung der Familie ©. 143).