128 Lehrproben.
Daraus ergeben fich michtige Lehrgrundfäge für den Unterricht in der
Fortbildungsfhule. Kerihenfteimer fußt gleichfalls auf der weiteft-
gehenden beruflichen Gliederung der Fortbildungzfhule und will deshalb den
jtaatsbürgerlihen Unterricht im engen Anflug an die Berufsfunde und die
‚perfönlichen Berufsintereffen de3 einzelnen erteilt wiffen. Seder brauchbare
Weg müffe folgende Merkmale befiten:
1. &r muß zunädjt den egoiftifchen Berufsintereffen des Schülers
Rechnung tragen, aber langfam und ungezwungen auf das Gebiet
ber allgemeinen Gtaatsinterejfen hinüberführen;
2. er muß fo lange als möglih mit fonfreten Fällen der jeweiligen
Berufsgruppe arbeiten und jedenfall3 von einer Anlage abjehen, die
ih auf Definitionen aufbaut;
3. er muß fich freihalten von jegliher (Bartei-) Politik;
4. er muß wirkungsvolle Momente der vaterländiihen Gefchichte oder
charaftervolle fittliche Geftalten ziwanglos in den Lehrgang mit ein-
beziehen lafjen.
Die Kritif muß fi) vor allem gegen den erjten PBunft richten. Es ift
bie Aufgabe der Bolfsfchule, bei der Grundlegung de3 Staatögedantens all-
mählidy von dem engen Gefichtöfreife der Einzelperfon auf den weiten Um-
reis des Staates hinüberzuführen. Gemwiß müjjen mir aud in der Fort-
bildungsfchule immer wieder von Einzeltatfachen ausgehen, und das find oft
folhe Dinge, die in den frei3 der rein perfönlihen und beruflichen
Deitrebungen fallen. Sedo it e3 unerläßlich, hierbei eine Gefahr, eine
ftlippe zu meiden, die dabei leicht droht. Haben mir den Schüler in den
Wahn Hineinzuführen, daß der Staat nur dazu da ift, feine Hleinen
perjünlihen, mehr oder minder felbitfüchtigen und eigennüßigen, beruflichen
Ssntereffer zu fördern! Darf er mähnen, das Dafeinsreht de3 Staates
Ihlehthin und feines angeftammten Staate3 davon abhängig maden zu
fönnen, wieviel ihm und feinem Gewerbe derfelbe nüßt! Gollen mir den
Staatsgedanfen perfonalitifch begründen und darum leicht der Erjchlitterung
preisgeben!
Nein und abermals nein! Der Staat ift al3 irdiihe Erfhheinung dem
bergänglichen Dafein de3 einzelnen Menfchen gegenüber eine emige Einrichtung,
die zu Recht beiteht, auch wenn der einzelne fie nicht aus felbitfüchtigen Gründen
bilfigt. Daraus ergibt fi, daß wir die perfönliche Selbitfucht de3 einzelnen
Bürgers und Berufsitandes nicht zu eng mit dem Staatögedanfen verquiden
dürfen. Sonft befeftigen mir nicht den Staat, fondern unterhöhlen feine
Srundfäulen. Hierauf meift aud) Dr 3%. Ziehen Hin in feinem Bortrage
„Über Volkserziehung in nationalem Sinn” (Münden, Lehmann. 1904):
„Wir gehen zu fehr auf in einzelnen Interefjeufreifen, und ehe noch eine
borurteilöfreie politifche Schulung den deutfchern Gtaatsbürger den Überbfid
über die Gefamtheit unfrer nationalen Verhältniffe und Aufgaben hat gewinnen
laffen, reißt ihn ein im ganzen zurzeit nicht übermäßig fchöpferifches politifches
Parteiwefen in eine nicht felten übereilte Stellungnagme zu Einzelftagen
hinein” (14). „Die beruflihen Verbände Huben e3 dringend nötig, ihre
Sonderinterefjen Hinter denen der Allgemeinheit, mo e3 nötig ijt, mit mehr
Bereitmwilligkeit zurlidtreten zu laffen” (12). „Die foziale Selbftfugt ift Durch)
ein gefundes Maß fozialer Opfermilfigfeit zu erfegen" (17). Das ilt ein
Smperativ der nationalen Pflichtenlehre, melden der Unterricht tief ins
jugendliche Herz einzugraben hat. Desgleihen R. Werner: „Erziehung des