Full text: Ratgeber für deutsche Lehrer und Erzieher

144 Lehrproben. 
und drangen über die Weichjel, dann über die Oder, die Elbe und fogar bis 
an und über die Saale vor. Die milden Hunnen, Amaren, Madjaren und 
Mongolen bradyen von Djten her in unferm Reiche ein und vermüfteten meite 
Streden. Den Polen mar ed leicht, um 1100 die öftlichen Gebiete Deutich- 
lands bi3 an die Mulde zu verheeren und zu brandfdhagen. 1410 fielen fie 
im Ddeutfhen Drdenslande ein und marfen den Nitterorden in der Schladht 
bei Tannenberg nieder. 1466 erfchienen fie abermals und entriffen ihm Weft- 
preußen. Nirgends boten ihnen Naturgrengen unüberfteiglihe Hinderniffe. 
Unaufhörhid) ergoffen jich polnische und flamifhe Scharen nad) Weiten, bald 
friedlich, bald Friegerifh. Bon Norden her drangen die Dänen ein und 
beherrjchten lange Beit die Elbherzogtümer (Schleswig-Holjtein-Zauenburg). 
Unter Guftad Adolf erfhhienen fogar die Schweden in Deutichland und nahmen 
Pommern und Rügen nebit andern Teilen in Befit. Die Oftfee erwies fidh 
eben nicht mehr al3 eine trennende Scheide, jondern vielmehr als eine völfer- 
berbindende Werfehrsitraße. Lange fchien es, al3 ob die Schweden den 
Nordojten Deutfchlands dauernd beherrichen follten. m fiebenjährigen Striege 
überfluteten auch die Ruffen den deutijhen DOjten. Die Türken drangen 
dur) Ungarn vor und famen jogar bis über Wien hinaus. So fehen mir, 
wie bon der offenen Nord- und Djtfeite viele Feinde in Deutfchland einge- 
drungen find. 
Sm Weftenijt Deutfchland nicht ganz ungefhüßt. Der Wasgau bildet 
heute einen Grenzmall. Mber ehemald3 wmaren meder die Vogefen nod) die 
Ardennen die Bölferfcheive. Yuerjt drangen die Römer durch die PRäfje in 
diefen Gebirgen nach Deutichland vor. Später folgten ihnen die Franzojen 
und Spanier auf diefem Wege. Lange fonnten fi) die Spanier in den 
deutfhen Niederlanden und die Franzofen am Oberrhein feitießen. Schon 
während de3 dreißigjährigen Krieges rief man in Franfreich, der Rhein muß 
unfer werden. Der Rhein follte nicht mehr ein deutfcher, fondern ein fraw 
zöfifcher Strom merden, er follte Statt de3 Wasgaus und der Ardennen Die 
Grenze zwifhen Franfreid und Deutfchland werden. 
Heute geftatten die Nord- und Dftfee jtarfen Seemädten, ung mit 
Hilfe ihrer Kriegöflotten zu bedrohen. &o ijt unfer Neid) von allen ©eiten 
mehr oder minder bedroht. 
b) Deutfhlands gefährlide Xage zmijden großen 
Bölfern und Staaten. | | 
Die offene Lage würde uns an fid) nichts fhaden; Liegen nicht die Ber- 
einigten Staaten von Nordamerika nicht aud) nad) allen Seiten offen da und 
find fomohl zu Waffer wie zu Lande leicht zu erreihen. Dennod) bedroht 
niemand fie. Sit nicht auch Rußland von Weften wie von Dften her leicht 
zugänglich. Dennoch bedroht niemand diefen Staat. Yu unferer offenen 
Rage mitten in Europa fommt noch ein andrer gefährlicher Umjtand. Deutid- 
{and ift eingefeilt zmifchen die Hauptvölfer und Hauptitaaten Guropas. Das 
it die große Gefahr. Im Dften und Güdoften bilden die Stamen 
unfre Völfer- und Spradgrenze. Im Weiten und Südmelten ftoßen wir an 
die Romanen (Stanzofen und Welche oder Staliener); im Norden und 
Nordiveften grenzen mir an ftamm- und fptachverwandte Germanen 
(Dänen, Slamen und Niederländer.) Namentlid) die Slawen und bie Nto- 
manen fuchen ihre Sprachgrenzen auf Koften des deutfhen Sprad- und 
Bolfsgebietes vorzufchieben und die eingejprengten Deutfhen zu Auljen, 
Polen, Tihechen, Kroaten, Slowenen, Weljhen und Stanzofen zu machen.
	        
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