Full text: Ratgeber für deutsche Lehrer und Erzieher

Seimatfimde und Staatsfunde. 25. 
merffamfeit getreten; der Unterricht hat jie nur noch in deren Blidpunft zu 
rüden und fie jo bewupt erfennen zu laffen. 
Hierauf gehen wir weiter, un zu zeigen, tab felbit die Jamilte nicht 
für fi) lebt und feben fanı. hr eßt Eemmeln und Brot. Wer bäcdt die 
Scmmeln und da? Brot? Warum nit dein Vater oder deine Mutter? 
Wer liefert euh Senineln und Brot? uf wen feid ihr angeriejen, ment 
ihr ejjen wollt? Wer Tiefert euch die Milch, das Fleijch, Den Reis, den 
Kaffee? Shne wen könnt ihr nicht leben? Wen braucht ir? Wer mus 
euch helfen? Wer forgt für cuch mit? Auf wen feid ihr angemiejen, went 
ihr effen und trinfen wollt? Was tun eure Eltern vafür? Gie geben dent 
Bäder, Fleifcher, Nildhhändler Geld. Das Geld ijt der Tani und der Lohn 
fiir das, was fie eud) zeben. Warum Dadt ihr nicht jelber Brot, Senmuneln, 
Nuchen? Warum fchlachtet ihr nicht felber? Warum Draut ihr nicht felber 
Bier? Warum haltet ihr nicht felber Kühe und Echweine? 
So bringe man den Siindern ihre Abhängigkeit von diecien Menden 
zum Bewußtjein, indem man ferner die Kleidung, die Wohnung, 
die Heizung ufw. befpridyt. Sind das auch einfache Gedanken, merden 
fie auc in einfachjtes Gewand gefieidet, fo liefern fie dod) wichtige Beltanpd- 
teile zum ftaats- und gejelljchaftsfundlidhen Lehrgebäude Denn aus diejen 
unendlichen umd fat umüberfehbaren Beziehungen, aus diefen unausgefeßten 
Berjhlingungen der menschlichen Handlungen entfpringen ja die Anläfie, Die 
den Staat zreingen, mit feiner ordnenden und regelnden Straft Dagmwifchenzu- 
treten. Ber allen diefen Sanplungen muß der Menfch feine Charafterjtärfe 
der Eittlichfeit und feines Gtaatsbewußtjcins bemeijen, feine Fähtafeit, jich 
als ein brauchbares Mitglied der Gtants- und Stulturgemeinfchaft zu be- 
tätigen. 
Dr. Kerfchenfteriner hat in jeiner „Staat3bürgerlichen Crziehung” 
S. 33 diejen unjer Standpunkt gekennzeichnet: „Die fortjchreitende Einficht 
in die Bezichungen zwifchen der Wohlfahrt des Individuums und der der &e- 
jamtheit, aljo in die Abhängigkeit des Wohles und Wehes des einzelnen vom 
Wohl und Wehe der Samilie, der Ermwerbs- oder Berufsgenoifen, der Ge- 
meindemitglieder, der Etaateangehörigen ufm. beeinflußt immer ftärfer unite 
Werturteile und befähigt uns immer mehr zu erfernmen, daß die wertvolfiten 
Motive unfer3 Handelns gerade jene find, welche allgemeine G®ültigfeit 
haben”. Ssreilih fhägt Kerihenfteiner ©. 35 die „Ausbildung des 
©edanfenkreijes" recht niedrig cin für Diefe flaatsgemäße Erziehung der 
breiten Volfsmaffen, und dod famı die Schule im allgemeinen nur durch 
die Geftaltung des findlichen Gedanfenfreifes jiaatserzieherifch mirfeı, fo 
fange unfere Schule eben feine reine Arbeitsichule it. CE märe durchaus 
jeelenmidria, anzımehimen, daß die Bearbeitung des findlichen Gedanfenkreifes 
feinen nachhaltigen Einfluß aufs Millend- und Gefinnimgsleben ausüben 
fönne; nur muß man damit fon früh beginnen und alles Angeleimte, 
Aufgepfropfte meiden. Wie nad) Herbart3 trefflichen Wort das Gottes: 
bemußtfein, fo muß aud) Tas Staatsbewußtfein zu den früheften planveller 
Beeinflufjungen des Eindlichen Noritellungg- und Gemiütslebens gehören. 
Die Gemeinde bildet jlet3 einen Gegenjtand der Heimatkunde. 
Tod) befchränft man fi nur zu oft auf das rein Erbfundliche dabei. Sedoch 
bietet gerade fie auf der Unterftufe willfommene Gelegenheit, flaatsfundfiche 
Srundanjcaunngen in den Aindesgeift zu pflanzeı. Einige Teifpiele mögen 
dus erhärten.
	        
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