Sittenlehre und Staatstunde. 63.
En fiebente Gebot.
Das fiebente Gebot zwingt uns, große Gebiete der Gtaat3-, Gejell-
Ichafts-, Rechts. und Wirtfchaftsfunde zu befprehen. Man hebe nad der
üblihen Behandlung namentlich folgende Betrachtungspunfte hervor:
Der Staat und das Eigentum.
1. Wie find die allererffien Menfhen zu&igen-
tum gefommen? Das Tier hat fein Eigentum. €3 frißt, mas es
findet. Nur einige Tiere fammeln Vorräte. Der Menfc hat anfangs aud
aus der Hand in den Mund gelebt. Deshalb geriet er oft in bittre Not. Bald
hatte er Überfluß, bald aber litt er größten Mangel an Nahrung. So kamen
die Hügften Menfchen auf den Gedanken, fich Vorräte für den Winter und
andre Zeiten der Not zu fammeln. Was nun eine familie jelbit zufammen-
getragen hatte, daS betrachtete fie als ihr Hab und Gut, als ihr Eigentum.
Wollte eine andre ihr diefes mit Gerwalt nehmen, fo feßte fie fih zur Wehr.
Sie mollte fich ihren Befit nicht rauben laffen. Um das Eigentum hat e3
die heftigiten Kämpfe gegeben. Hatte ein Gefchledht viel Vieh, fo juchte ein
feindliher Nahbarftamm das zu erbeuten. Hatte ein Gejichleht Wald ge-
rodet und urbar gemadit, jo fam ein andres und vertrieb dad erjte aus
feinem Befig. Alles Eigentum ift aus Arbeit hervorgegangen. Wer fich
durch feiner Hände Arbeit Waffen madıte, der hatte Eigentum. Wer fich
durch feine Arbeit Vieh züchtete, der hatte Eigentum. Wer fich durch feine
Arbeit Getreidevorräte fammelte, der hatte Eigentum. Wer durd) feine
Arbeit Wild erlegte, der Hatte Eigentum. Wer gleißende Goldförner und
Edeliteine juchte und aufhob, ausgrub oder ausmwujd, der hatte Eigentum.
Durch Arbeit werden Güter gejchaffen: Nahrungsitoffe, Kleider, Waffen,
Geräte, Werkzeuge.
2. Notmwendigflceit des Eigentumöd. Ohne Figentum
tünde e3 fchlimm, jehr fchlimm um die Menfchheit. Ohne das wären alle
dem Hunger, Durft, der Not, dem Elend preisgegeben. Kommt Stälte, fo
heizen mir ein und ziehen auch mwärmere leider an. Wie fchlimm wäre
es, wenn mir, vor ftälte Elappernd, nun erst Holz fchlagen und holen,
Kohle graben, einen fen bauen Sollten! Wenn wir da erit eine Hütte
oder ein Häuschen erbauen wollten! Wie traurig märe es, wenn mir,
bor Hunger fajt umfallend, nun erjt Nahrung fuchen wollten! Wie nötig
das Eigentum it, das jehen wir an der Urmut, an dem Armen. Der
Arme ift elend, hilflos, allem lingemad) preisgegeben. Das Eigentum it
unentbehrlih, it der größte Segen für die Menfchheit. Se mehr Eigentum
die Menfchen anfammelten, deito beffer it e3 geworden. Aller Fortichritt
bermehrt die Vorräte des Eigentums. Die Wilden haben viel meniger
Eigentum al3 die gefitteten und gebildeten Bölfer.
3. Wefen de3 Eigentumd Was ih in meinen Händen
habe, das ift in meiner Gewalt. Habe ich eine Waffe in meiner Hand,
jo habe ich Gemalt über fie. ch fann mich mit ihr wehren. Habe id)
einen Apfel in meiner Hand, jo ift ev auch in meiner Gemalt, ich fanıı ihn
verzehren oder verfchenfen oder megmwerfen oder aufheben: Furz, ich habe
die volle Verfügung über den Apfel. Der Apfel ift in meinem Be-
\i$. Habe ich mir einen Hund gezüchtet, fo ift er mein, er gehört mir,
er hört auf mich. Rufe ic) ihn, fo folgt er mir; er ift auch in meiner Ge-