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8 193. 3. Unabhängigtkeit der Gerichte. Die Ge—
richte sind in ihrer Amtsführung der landesfürstlichen Oberaufsicht unter-
worfen, jedoch bei der Beurtheilung von Rechtssachen, innerhalb der
Gränzen ihrer Competenz, unabhängig. Sie entscheiden daher in allen
Instanzen mit voller Freiheit der Meinungen, und werden in der Aus-
Übung ihres Amtes nöthigenfalls durch den Bestand der Civil= und
Militairbehörden geschützt. Die Strafurtheile der Gerichtshöfe bedürfen
keiner Bestätigung des Landesfürsten, doch soll die Vollziehung der
durch das Gesetz bezeichneten schweren peinlichen Strafen nur nach
landesfürstlicher Genehmigung erfolgen.
Mitwirkung der Polizei-Gewalt. Die
Polizeigewalt, selbstständig in ihrem Wirkungskreise, leistet zugleich der
richterlichen Beistand bei der Sicherung der Rechte der Landeseinwohner
und der Vollziehung der Rechtssprüche. Bei Vergehungen verfolgt
auch sie den Thäter, und wirkt mit zur Ermittelung des Thatbestandes.
Sie richtet nie über die That.
§*# 195. 5. Verwaltungshandlungen. Die Verfügungen
aller nicht gerichtlichen, d. h. der Verwaltungs-Behörden und Beamten
innerhalb des denselben angewiesenen, von der Rechtspflege getrennten
Wirkungzkreises, gehören nicht zur Competenz der Gerichte, und können
in ihrer Ausführung von denselben nicht gehemmt werden.
96. 6. Competenz-Conflicte. Die Beurtheilung, ob
eine Sache zum gerichtlichen Verfahren geeignet, gebührt zunächst dem
Richter. Erklärt das Gericht sich competent, während eine Verwaltungs-
Behörde dessen Zuständigkeit in Zweifel zieht, so darf letzte durch einen
dem Gerichte zu eröffnenden, die Gründe anführenden Einspruch, die
weitere gerichtliche Verhandlung hemmen.
Das Nähere über das in solchen Fällen eintretende Verfahren soll
durch ein Gesetz bestimmt werden.
8 7. Entschädigungsklage gegen den Staat.
Die Frage, welche Entschädigung vom Staate demjenigen gebühre,
welcher durch Handlungen der Regierungs= und Verwaltungsbehörden
in seinen wohlerworbenen Rechten verletzt ist, fällt ohne Zulassung eines
Competenz-Conflicts lediglich der Entscheidung der Gerichte anheim.
Die verfassungsmäßige Erlassung gesetzlicher Vorschriften kann zu
keiner anderen, als der im Gesetze bestimmten, Entschädigung berechtigen.
198. 8. Rechtssachen des Fiscus. Der Fiscus, als der
Vertreter aller das Vermögen und die Einkünfte des Staats betreffenden
Rechte und Verbindlichkeiten, ist in streitigen Rechtssachen den ordent-
lichen Gerichten unterworfen. Die Vollziehung des gerichtlichen Er-
kenntnisses wird gegen die in demselben bezeichnete Behörde und Casse
verfügt.
fug 199. 9. Beschränkung der Privilegien des
Fiscus. Die bisherigen Vorrechte des Fiscus, in Beziehung auf
gerichtliche Verfolgung seiner Ansprüche, Privatpersonen gegenüber,
werden hierdurch aufgehoben.
Ein Vorzugs= oder stillschweigendes Pfandrecht behält derselbe nur
wegen öffentlicher Abgaben.