422 Sachsen-Meiningen.
Titel IV.
Von den Kirchen und milden Stiftungen.
Art. 29. Die evangelische Kirche ist die Landeskirche, und sie wird,
wenn ihre Dotationen in irgend einer Hinsicht unzureichend sind, aus
den Landeseinkünften unterhalten. Doch genießen auch alle andere
Kirchen den Schutz des Staats und volle Gewissensfreiheit, in so fern
sie sich den Gesetzen und Ordnungen des Staats gemäs bezeigen. Keine
vorgebliche Religionsmeinung kann von den Verbindlichkeiten gegen den
Staat entbinden.
Art. 30. Keine kirchliche Verordnung darf ohne Vorwissen des
Landesherrn und ohne dessen Genehmigung erlassen und in Vollzug
gesetzt werden.
Art. 31. Der Staat wacht über die Ausbildung, Berufung und
Amtsführung aller Geistlichen und anderer kirchlichen Beamten, doch
ohne in das Innere der Kirche weiter als zu diesem Endzwecke nöthig
ist, einzugreifen. Beschwerden über die Diener der Kirche gehören,
wenn ihr Gegenstand blos das geistliche Amt betrifft, an die kirchlichen
Obern; wenn hingegen über eine Ueberschreitung der geistlichen Amts-
befugnisse geklagt wird, an die landesherrliche weltliche Behörde.
Art. 322). Das in der evangelischen Kirchenverfassung gegründete
landesherrliche Recht der Direction, der Vocation und resp. Bestätigung
der Kirchendiener und der Dispensation von kirchlichen Verboten in
Ehesachen, ingleichen der Verwaltung des Kirchenvermögens soll nur
durch eine Behörde ausgeübt, und resp. zur landesherrlichen Entscheidung
vorbereitet werden, welche neben den weltlichen auch mit geistlichen
Räthen besetzt ist.
Art. 332). Die Dotation der Kirchen und Schulen soll, so lange
die Kirche und Schule besteht, derselben nicht entzogen werden. Das
Vermögen eingegangener Kirchen, Schulen und anderer frommen Stif-
tungen aber kann zu einem allgemeinen Kirchen= und Schulfonds ge-
zogen werden.
Eben dies tritt ein, wenn durch besondere Umstände das Vermögen
einer einzelnen Kirche oder Schule dergestalt anwachsen sollte, daß es die
Bedürfnisse derselben unverhältnißmäßig überschritte, indem alsdann der
Ueberschuß der jährlichen Revenüen ebenfalls zum allgemeinen Kirchen-
und Schulfonds genommen und, wenn dieser hinreichend ausgestattet
sein sollte, anderen gemeinnützigen Zwecken und Anstalten gewidmet
werden kann. Dasselbe gilt von der Dotation der Armen= und Kranken-
1) Art. 32 modifiziert durch 3 27 der Kirchengemeinde= und Synodalordnung vom
4. Januar 1876:
Wo bisher der Ortsgemeinde oder deren Vertreter (Ausschuß, Gemeinderath, Orts-
vorstand) das Präsentationsrecht für eine geistliche Stelle zugestanden hat, wählt der
Kirchenvorstand bezüglich der Gesammt-Vorstand den Pfarrer aus der Zahl der vorschrifts-
mäßig befähigten Candidaten oder Pfarrer.
Im Ubrigen wird die Besetzung der Pfarrstellen, ihre Dotierung und resp. die Er-
richtung einer Centralpfarrkasse, nach der Einführung dieser Ordnung durch besondere
Gesetze geregelt, und behält es bis dahin bei der bisherigen Weise der Pfarrstellenbesetzung
sein Bewenden.
:) Art. 33 Abs. 3 aufgehoben; vgl. Anmerkung zu § 23.