Sachsen-Meiningen. 431
zur Abhülfe anzuzeigen. Es soll ihnen von dem Landesministerium, um
über die Beschwerden, welche theils durch Vorträge der Abgeordneten,
theils durch Eingaben Anderer zur Sprache kommen, auf Verlangen
vollständige Auskunft ertheilt, und es sollen die von den Ständen an-
gebrachten Beschwerden mit vorzüglicher Sorgfalt untersucht, und den
gegründet befundenen abgeholfen werden.
Art. 88. VII. Den Ständen stehet die Befugnis zu, gegen Staats-
diener wegen Verletzung der Verfassung, — Mißbrauch der Amtsgewalt,
Untreue und Erpressung förmliche Anklage zu erheben. Gegen Beamite,
welche unter höherer Leitung stehen, soll jedoch allemal erst Beschwerde
bei dem Ministerium geführt, und nur, wenn dieser nicht abgeholfen
wird, zur Anklage geschritten werden.
Die Anklage soll bei dem Oberlandesgericht zu Jena angebracht,
im förmlichen Rechtswege durch ein hiermit zu beauftragendes Criminal=
gericht des Landes untersucht und vom Oberlandesgericht entschieden
werden 1).
Dem Verurtheilten stehet eine nochmalige Vertheidigung frei, worauf
auswärtiges Urtheil einzuholen ist.
Kapitel 4. Der Landtag.
Art. 89. Die auf landesherrliche Einberufung zusammentretenden
Stände bilden den Landtag.
Art. 90. Die Einberufungsschreiben ergehen auf Anordnung des
Ministeriums an den Landmarschall und von diesem an jeden einzelnen
der sämmtlichen Deputirten mit Bestimmung des Orts und der Zeit.
Die Einberufenen haben es bei dem Landmarschall zeitig anzuzeigen,
wenn sie zu erscheinen verhindert sein sollten, damit an ihrer Stelle die
rsatzmänner einberufen, oder die Landesregierung um Anordnung einer
neuen Wahl ersucht werden könne.
Art. 91. Der Landtag ist für gesetzmäßig constituirt zu achten,
wenn nach seiner Einberufung wenigstens 20 Abgeordnete versammelt
sind. Daß dies der Fal sei, ist der Landesregierung anzuzeigen, worauf
die feierliche Eröffnung vor sich gehet.
Art. 92. Die Eröffnung wird vorbereitet durch eine kirchliche Feier,
mit einer dem Zweck angemessenen Predigt. Darauf versammeln sich
die Deputirten in Gegenwart des Herzogs oder einer landesherrlichen
ommission. . .
Die zum erstenmal Erscheinenden legen den vorgeschriebenen Eid
ab. Der Landtag wird mit einer Anrede vom Landesherrn oder dessen
Commissär eröffnet.
Art. 93. Die Berathungen des Landtags werden veranlaßt:
· a) durch landesherrliche Propositionen, welche in der Ordnung,
wie sie eingehen, oder welche ihnen vom Landesherrn bestimmt wird,
vor allen andern Geschäften zu erledigen sind,
.
1) S. Gesetz vom 16. Dezember 1878 3 31, betreffend Ausführungsbestimmungen
zum Deutschen Gerichtsverfassungsgesetz vom 27. Januar 1877: „Oberlandesgericht“.