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nem Ermessen das andere Gericht ersuchen, oder auch, unter Benachrichtigung
desselben, die Ladung unmittelbar bewirken lassen.
Ueber die geschehene Ladung ist Nachricht zu den Akten zu bringen.
Art. 106.
Ist der Angeschuldigte nicht anwesend, so erfolgt die Vorzeigung oder
Behaͤndigung von Vorladungsbefehlen oder schriftlichen Ladungen an seinen Ehe-
gatten, oder an einen bei ihm wohnenden Angehoͤrigen, oder an einen seiner
Dienstleute, und dieses steht der Vorladung des Angeschuldigten in Person
gleich; ausgenommen wenn die gedachten Personen die Annahme der Vorladung
ablehnen, wozu sie verpflichtet sind, wenn sie außer Stand sind, dem Ange-
schuldigten selbst Nachricht zu geben, oder ihm die Ladung zukommen zu lassen.
Auch hierüber ist Nachricht zu den Akten zu bringen.
II. Vorführung des Angeschuldigten.
Art. 107.
Erscheint der Vorgeladene nicht, ohne eine ausreichende Entschuldigungs-
ursache angezeigt zu haben, so ist ein schriftlicher Vorführungsbefehl zu erlassen,
dem Vorgeladenen vorzuzeigen und derselbe vor Gericht zu führen.
Die Unverletzlichkeit der Wohnung ist kein Hinderniß der Vorführung.
Art. 108.
Selbst ohne vorgängige Vorladung kann der Untersuchungsrichter die Füh-
rung eines Verdächtigen vor Gericht zum Behufe seiner Vernehmung anordnen,
soll aber auch in diesem Falle, sofern es möglich, einen Vorführungsbefehl er-
lassen:
1) wenn der Verdächtige Anstalten zur Flucht gemacht hat, oder als ein
Unbekannter, als Nichtdeutscher, als heimathlos, als cinen herumziehen-
den Lebenswandel führend, oder aus sonstigen besonderen Gründen der
Flucht verdächtig istz;
2) wenn er auf frischer That betreten, oder unmittelbar nach der That als
des Verbrechens verdächtig durch Nacheile oder Nachruf bezeichnet wird,
oder alsbald nach der That im Besitze von Waffen, Geräthschaften,
Schriften oder anderen Gegenständen betroffen wird, welche auf seine
Theilnahme an dem Verbrechen hinweisen, oder