Italien. (Dezember 1. 2.) 263
die Schädigungen eines Zollkrieges mit diesen Ländern vermieden. Italien
habe damit als die erste Macht bewiesen, daß die protektionistische Stim-
mung, die die Welt beherrscht, den Abschluß von Handelsübereinkommen
nicht verhindere, wenn die Regierungen durch das Gefühl der Billigkeit
und Solidarität geleitet würden. — Dann heißt es: Die ernste Frage der
Organisation der Eisenbahnen wird Ihnen zur Beratung unterbreitet
werden. Die Regierung wünscht, daß bei der Lösung dieser Frage die
Solidität des Staatsbudgets mit den großen Interessen des Handels und
der Industrie und mit der gerechten Behandlung des Eisenbahnpersonals
in Einklang gebracht werde. Das Gleichgewicht des Budgets muß energisch
geschützt werden, besonders im Interesse der weniger bemittelten Klassen)
weil nur unter dieser Bedingung eine Verminderung der durch die öffent-
liche Schuld auferlegten Lasten durch die große Steuerreform möglich wird
und zu erreichen ist. Die Regierung wird es sich zugleich angelegen sein
lassen, alle Vervollkommnungen in Anwendung zu bringen, die geeignet
sind, die Schlagfertigkeit des Heeres und der Marine, die beide der Stolz
des Vaterlandes und die Verkörperung seiner Einheit sind, zu erhöhen und
die Armee und die Marine der tiefen Zuneigung, mit der das italienische
Volk sie umgibt, immer würdiger zu machen. Die wirtschaftlichen Verhält-
nisse Italiens sind in offenkundigem Fortschreiten begriffen, wie es der
hohe, niemals früher erreichte Kurs der Rente, das Verschwinden des Gold-
agios und die den Sparkassen und Banken reichlich zufließenden Kapitalien,
sowie die Zunahme des Handels, die Entwicklung der Industrie und der
unbegrenzte Kredit, dessen der Schatz genießt, beweisen. Zu der Erreichung
so glücklicher Verhältnisse trug der Friede bei, der durch feste Bündnisse
und aufrichtige Freundschaften, die ihre herzlichste Kundgebung im beson-
deren des Deutschen Kaisers, des Königs von England und des Präsidenten
der französischen Republik in Rom fanden, sichergestellt ist. Mit Frank-
reich, England und der Schweiz haben wir Abkommen getroffen, um jede
Zwistigkeit auf schiedsgerichtlichem Wege zu regeln. Die Verhandlungen
zum Abschluß ebensolcher Abkommen mit den Vereinigten Staaten und
anderen Ländern sind im Gange. So betätigt Italien weiter in der Welt
seine Friedensmission. Möge das einträchtige Zusammenwirken des Parla-
ments und der Regierung im Verein mit der größten politischen Loyalität
die glückliche internationale Lage auch ferner erhalten, den Frieden und
die woziale Gerechtigkeit im Innern sichern und die Festigkeit des Staats-
budgets und des öffentlichen Kredits bewahren, dann wird Italien durch
die Politik des Friedens, der Arbeit und der Gerechtigkeit seinen ruhm-
reichen Weg auf der Bahn der Ziodilisation fortsetzen.
1. Dezember. Die Kammer wählt den Kandidaten der Re-
gierung Marcora zum Präfsidenten.
2. Dezember. (Rom.) Der Handelsvertrag zwischen Deutsch-
land und Italien wird unterzeichnet.
2. Dezember. (Kammer.) Auf eine Anfrage erwidert Mi-
nister des Auswärtigen Tittoni, die Innsbrucker Vorgänge (S. 262)
könnten die Bande zwischen der italienischen und deutschen Wissen-
schaft und das politische Verhältnis zwischen Italien und Öster-
reich-Ungarn nicht lockern. Ministerpräsident v. Körber habe im
Reichsrat durchaus korrekte Erklärungen abgegeben.