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buchs richterlich erkaunt worden, daß die verurtheilte Person nach verbüßter Strafe
der Landes-Polizeibehörde zu überweisen sei, so hat das Untersuchungsgericht dem-
jenigen Großherzoglichen Bezirks-Direktor, in dessen Verwaltungsbezirke es seinen
Sitz hat, sofort nach eingetretener Rechtskraft des Urtheils von
dessen Inhalte Nachricht zu geben behufs schleuniger Erklärung, ob der Verurtheilte
in das Arbeitshaus gewiesen oder zu gemeinnützigen Arbeiten verwendet werden soll.
Wird von dem Großherzoglichen Bezirks-Direktor beschlossen, daß der Ver-
urtheilte in das Arbeitshaus untergebracht werden soll und dieser Beschluß, noch
bevor der Verurtheilte die ihm richterlich zuerkannte Haftstrafe vollständig abgebüßt
hat, dem Gerichte mitgetheilt, so hat letzteres für die Einlieferung des Verur-
theilten in das Arbeitshaus unter Beachtung der in der Ministerial-Bekanntmachung
vom 27. Juni d. J. Nr. 1 und 2 ertheilten Vorschriften selbst Sorge zu tragen.
Die hierdurch der gerichtlichen Verlagskasse erwachsenden Aufwände (z. B. für Be-
kleidung des Verurtheilten, für den Transport 2c.) sind rerselben nach vorgängiger
Spezifikation aus der Verwaltungskasse des Bezirks-Direktors, vorbehaltlich der
Wiederbeiziehung von den Kostenpflichtigen, zu ersetzen.
Gelangt eine Entschließung des Großherzoglichen Bezirks-Direktors darüber,
was in Betreff des Verurtheilten nach verbüßter Haftstrafe geschehen solle, nicht
vor beendigtem Strafvollzug an das Gericht, so hat letzteres nach seinem von Er-
wägung der Umstände des einzelnen Falls geleiteten Ermessen zu bestimmen, ob
der Verurtheilte nach verbüßter Haftstrafe entweder auf freien Fuß zu stellen oder
— was z. B. bei Landstreichern und Nichtangehörigen des Großherzogthums sich
der Regel nach empfehlen wird — dem Großherzoglichen Bezirks-Direktor zuzu-
führen sei.
Bei allen Einlieferungen in das Arbeitshaus, welche von Großherzog-
lichen Behörden bewirkt werden, soll von der in der Ministerial-Bekanntmachung
vom 27. Juni d. J. Nr. 1 enthaltenen Anforderung einer für die Entlassung
zur Winterszeit ausreichenden Kleidung des Transportaten abgesehen, mit einer
für den Transport zureichenden Kleidung sich begnügt und die Beschaffung jener
ersteren nach Maßgabe des Bedürfnisses im einzelnen Falle der Verwaltung des
Arbeitshauses überlassen, dieser aber der hierdurch erwachsende Kostenaufwand von
dem betreffenden Großherzoglichen Bezirks-Direktor, der Wiederbeibringung von den
Kostenpflichtigen ohnbeschadet, ersetzt werden.
Weimar am 30. Oktober 1872.
Großherzoglich Sächsisches Staats-Ministerium,
Departement der Justiz. Departement des Aeußern und Innern.
Stichling. v. Großt.