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sofern das Gefängniß nach seiner Beschaffenheit nicht als ein zur mündlichen
Unterweisung des Gefangenen geeignetes Lokal sich darstellt, ist für letztere ein
anderes passendes Lokal innerhalb des Gerichtsgebäudes zur Disposition zu stel-
len, z. B. ein Gerichtszimmer zu der Zeit wo dasselbe nicht zur Erledigung
gerichtlicher Geschäfte benutzt wird. Nur wo die Ertheilung bestimmter Unter-
richtsstunden und eine mündliche Unterweisung des Gefangenen durch den Leh-
rer wegen des Mangels eines geeigneten Lokals oder aus anderen Gründen
auf unüberwindliche Hindernisse stößt, darf sich der Unterricht auf Stellung
geeigneter, im Gefängniß zu bearbeitender Schulaufgaben, sowie auf Abnahme,
Prüfung und Korrektur dieser Arbeiten durch den Lehrer beschränken. Das Ge-
richt hat diejenigen Einrichtungen im Gefängniß zu treffen, sowie diejenigen
Geräthschaften und Utensilien anschaffen zu lassen, welche erfordert werden, da-
mit der Gefangene die ihm vom Lehrer aufgegebenen Arbeiten liefern kann.
Denselben ist, namentlich während der kurzen Tage, auch Beschäftigung Abends
und bei Licht zu gestatten. Der vorsichtige Gebrauch des Lichts und dessen
rechtzeitiges Auslöschen hat der Gefängnißwärter zu überwachen.
Dem Lehrer ist für seine Mühwaltung ein entsprechendes Honorar zu ge-
währen. Dasselbe soll je nach den örtlichen Verhältnissen fünfzig Pfennige bis
eine Mark für die Unterrichtsstunde betragen und wird, falls eine Verständigung
über den Betrag zwischen dem Gericht und dem Lehrer nicht stattfinden sollte,
auf Antrag des Gerichts von dem Schul-Inspektor des Bezirks innerhalb jener
Grenzen bestimmt und als Verlag aus dem gerichtlichen Verwaltungs-Fonds
bezahlt, vorbehältlich der Wiederbeiziehung von der verpflichteten Privatperson
oder Schulgemeinde. (Vergl. §. 48 Ziff. 6 des Gesetzes über das Volksschul-
wesen vom 24. Juni d. J.)
Vorstehende Bestimmungen finden analoge Anwendung, wenn schul= (oder
fortbildungsschul-) pflichtige Personen in länger dauernder Untersuchungs-
haft sich befinden, soweit nicht etwa im einzelnen Falle zu besorgen steht, daß
dadurch dem Untersuchungszweck Eintrag geschehen könne.
Nicht weniger empfiehlt es sich, und wird hiermit gestattet, in einzelnen
geeigneten Fällen auch solchen jugendlichen Gefangenen, welche ihrem Lebens-
alter nach nicht mehr zum Besuche der Volksschule oder Fortbildungsschule
verpflichtet sind, gleichwohl Schulunterricht ertheilen zu lassen, um denselben
eine auregende, die sittliche Hebung befördernde geistige Beschäftigung zu ge-
währen. Solchenfalls ist das Honorar für den Lehrer definitiv aus dem Ver-
waltungs-Fonds zu bestreiten.
Uebrigens bedarf es keiner besonderen Hervorhebung, daß, wie allen Ge-