Full text: Regierungs-Blatt für das Großherzogthum Sachsen-Weimar-Eisenach auf das Jahr 1874. (58)

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terricht nach dem Urtheile der obersten Schulbehörde aufhört, den Charakter 
des häuslichen Unterrichts an sich zu tragen. Als genügend qualifizirt zur 
Ertheilung solchen Privat-Unterrichts sind zunächst die eignen Eltern oder Er- 
zieher der schulpflichtigen Kinder ohne Weiteres dann zu betrachten, wenn sie 
sich für den Lehrerberuf ausgebildet haben. Aber auch wo dies zwar nicht der 
Fall, doch aber ein solcher Grad von Bildung und eine solche Fürsorge für 
das Wohl der ihnen anvertrauten Kinder den Eltern oder Erziehern notorisch 
beiwohnt, daß an der Ertheilung eines die Volksschule ersetzenden Unterrichts 
durch sie nicht wohl zu zweifeln ist, kann der Schul-Inspektor diesen Privat- 
Unterricht nachlassen. Er hat jedoch sein Augenmerk darauf zu richten, ob die 
gehegte Erwartung sich auch wirklich erfüllt, und zu diesem Behufe, namentlich 
wenn Anzeichen des Gegentheils hervortreten, sich von Zeit zu Zeit über den 
Stand und den Erfolg dieses Privat-Unterrichts näher zu vergewissern, nöthi- 
genfalls dadurch, daß er die betreffenden Kinder der Prüfung in der Volksschule 
des Orts mit unterwirft. Tritt dabei die Gewißheit hervor, daß die geprüften 
Kinder durch den genossenen Privat-Unterricht nicht diejenige Bildung erlangt 
haben, welche die Volksschule auf derselben Altersstufe gewährt, oder ist die 
Qualifikation der Eltern in sittlicher Hinsicht in Zweifel zu ziehen, so hat der 
Schul-Inspektor den Fall der obersten Schulbehörde zur Entscheidung bericht- 
lich vorzulegen. 
Demnächst sind als genügend gqualifizirt zur Ertheilung eines die Volks- 
schule ersetzenden Privat-Unterrichts diejenigen Lehrer und Lehrerinnen zu er- 
achten, welche über die von ihnen bestandenen Prüfungen und über ihr sittliches 
Verhalten ausreichende Zeugnisse dem Schul-Inspektor vorzulegen vermögen. 
Lehrer, welche in einem deutschen Bundesstaate die Prüfung für das Schulamt 
oder als Geistliche die 1. Kandidatenprüfung bestanden haben, sind regelmäßig als 
in wissenschaftlicher Hinsicht hinreichend qualifizirt anzusehen. Dagegen be- 
dürfen Lehrer, welche zur Strafe aus dem Schuldienst entlassen sind, der 
besondern Erlaubniß der obersten Schulbehörde. Soweit Lehrer oder Lehrerinnen 
ihre Qualifikation durch Zeugnisse nachzuweisen nicht vermögen, haben sie sich 
auf Erfordern der obersten Schulbehörde einer, von letzterer näher zu bestim- 
menden, besonderen Prüfung zu unterwerfen. 
Auch diejenigen Eltern oder Erzieher, welche in Betreff des Privat-Unter- 
richts, der den ihnen anvertrauten Kindern zu Theil wird, den gesetzlichen 
Verpflichtungen nicht nachkommen, unterliegen den im §. 11 des Gesetzes über 
das Volksschulwesen angedrohten Strafen und Maßregeln.
	        
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