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Was die rechtliche Bedeutung und die Wirkungen des bezeichneten Ver-
fahrens anbetrifft, so finden auf dasselbe durchweg die für richterliche Amts-
handlungen geltenden Bestimmungen der Britischen Gesetze Anwendung. Die
zu vernehmende Person kann ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit zum
Erscheinen vor dem ernannten Kommissar und zur Abgabe des Zeugnisses
innerhalb der Grenzen, in welchen das letztere nach dem Recht des betreffenden
Gebiets erzwingbar ist, genöthigt werden. Ein vor dem Kommissar falsch ge-
leisteter Eid ist innerhalb des Britischen Reichs als Meineid nach Maßgabe
der dortigen Gesetze strafbar und kann daher zutreffenden Falls auch in Deutsch-
land auf Grund der Bestimmung in § 4 Nr. 3 des Strafgesetzbuchs verfolgt
werden.
In Gemäßheit der angeführten Gesetze ist der Kaiserliche Generalkonsul
in London, wenn er von einem Deutschen Gericht um Herbeiführung einer Be-
weisaufnahme in Großbritannien und Irland ersucht wird, in der Lage, sich
selbst oder einer dritten Person, insbesondere einem anderen Deutschen Konsular-
beamten, die Ermächtigung zur Erledigung des Ersuchens ertheilen zu lassen.
Es erwächst hieraus der Vortheil, daß der als Kommissar bestellte Konsul
bei Erledigung des Ersuchens auf die Vorschriften der Deutschen Gesetze (z. B.
bezüglich des Rechts der Parteien den Verhandlungen beizuwohnen) thunlichst
Rücksicht nehmen kann. Auch läßt sich nach den Erfahrungen des Kaiserlichen
Generalkonsuls in London die Erledigung der Requisitionen auf dem vorstehend
bezeichneten Wege ohne erheblichen Zeitaufwand und ohne übermäßige Kosten
bewerkstelligen.
Bei dieser Sachlage empfiehlt es sich, daß die Deutschen Gerichtsbehörden
ihre Ersuchungsschreiben wegen einer Beweisaufnahme in Großbritannien und
Irland ausschließlich an den Kaiserlichen Generalkonsul in London richten,
welcher für die Erledigung in der angegebenen Weise auch dann, wenn die
Eidesabnahmen oder eidlichen Vernehmungen außerhalb Londons stattfinden
sollen, Sorge tragen und die Rücksendung der erwachsenen Verhandlungen und
Schriftstücke ermitteln wird.
In Strassachen nicht politischen Charakters ist übrigens auf Grund der
Parlamentsakte 36 und 37 Vict. C. 60 sect. 5 auch die Möglichkeit ge-
geben, durch einen auf diplomatischem Wege zu erwirkenden Befehl eines
„Secretary of State“ die Aufnahme des Zeugenbeweises einem Polizei= oder
Friedensrichter übertragen zu lassen. Sollten aus besonderen in der Sache
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