Full text: Europäischer Geschichtskalender. Zweiter Jahrgang. 1861. (2)

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Oesterreich — Ungarn. 
lich ist. — Wir halten es daher für nothwendig, in feierlicher Weise zu 
erklären, daß wir die durch einen staatsrechtlichen Grund- 
vertrag, durch Gesetze, königliche Inauguraldiplome und 
Krönungseide gewährleistete constitutionelle Selbständig- 
keit und gesetzliche Unabhängigkeit des Landes keinerlei 
Rücksichten und Interessen opfern können, und daß wir an 
derselben, als an der Grundbedingung unserer nationalen Eristenz, fest- 
halten. Deshalb können wir auch nicht darauf eingehen, daß die Fragen 
der öffentlichen Besteuerung und der Militärabstellung, in welcher Beziehung 
immer dem ungarischen Landtage entzogen werden. Wir können das Recht 
der Gesetzgebung, so wie wir dasselbe in Betreff keines anderen Landes 
ausüben wollen, in Betreff Ungarns mit keinem andern als mit dem 
Könige von Ungarn theilen; wir können die Regierung und Verwaltunz 
Ungarns von keinem andern, als dem Könige von Ungarn abhängig 
machen, und dieselbe nicht mit der Regierung anderer Länder vereinigen; 
wir wollen daher weder an dem Reichsrathe, noch an irgend einer Volks- 
vertretung der Monarchie Theil nehmen, wir können das Recht derselben, 
über die Angelegenheiten Ungarns zu verfügen, nicht anerkennen und sind 
blos geneigt mit den constitutionellen Völkern der Erbländer, als selb- 
ständige freie Nation mit einer anderen selbständigen freien Nation, unter 
voller Wahrung unserer Unabhängigkeit, von Fall zu Fall, zu ver- 
ehren. 
„Ein anderer wesentlicher Punkt, über den wir verpflichtet sind, sofert 
die Stimme zu erheben, ist die Integrirung des Landtages. Weder Sieben- 
bürgen, noch Croatien und Slavonien, weder die Milltärgrenze, noch 
Fiume und das Littorale sind unter uns vertreten, aus dem Grunde, weil 
sie nicht auf den Landtag berufen wurden, und doch sind sie integrirende 
Bestandtheile desselben und hätten nach der klaren Bestimmung der Gesetze 
einberufen werden sollen.. Der ungesäumten Einberufung und dem 
Erscheinen Siebenbürgens steht Nichts im Wege. Die Union Siebenbürgens 
mit Ungarn wurde im Jahre 1848 gesetzlich vollzogen, und zwar in Er- 
füllung eines gemeinsamen Wunsches, den sowohl der ungarische als auc 
der sieben bürgische Landtag feierlich und einstimmig kundgegeben. Die von 
Ungarn und Siebenbürgen in Bezug auf die Union gegebenen Gesetze 
wurden von Sr. Majestät sanctionirt und auch sofort in Vollzug gesetz. 
Als dann die constitutionellen Formen beseitigt wurden und das absolute 
System an die Stelle der Freiheit trat, ward Siebenbürgen hinsichtlich der 
Verwaltung wieder von Ungarn getrennt; jetzt aber, nachdem Ew. Majesint 
das absolute System aufgehoben, müssen auch die rechtswidrigen Folgen 
jenes Systems unbedingt aufhören. .. Was Croatien betrifft, so ver- 
langen wir nicht, daß unser numerisches Uebergewicht, der geringeren An- 
zahl ihrer Repräsentanten gegenüber, über die etwa von ihnen vorzutragen- 
den Forderungen und Bedingungen entscheiden solle. Croatien besitzt sein 
eigenes Territorium, es nimmt eine gesonderte Stellung rin, und war 
niemals in Ungarn einverleibt, sondern es stand in einem Verbande zu 
uUns, es war unser Gefährte, der an unseren Rechten, unseren Pflichten, 
an unserem Glück und unseren Drangsalen Theil nahm. Wenn demnach 
Croatien jetzt als Land an unserer Gesetzgebung Theil nehmen will, wenn 
es sich früher mit uns über die Bedingungen ins Reine zu setzen wünscht, 
unter welchen es bereit ist, seine staatsrechtliche Stellung in eine Verbindunz 
mit Ungarn zu bringen, wenn es in dieser Angelegenheit mit uns als 
Nation zu Nation in Beziehung treten will, dann werden wir dieses An- 
erbieten nicht zurückweisen, sondern wir verlangen blos, daß Croatien nicht 
verhindert werde seine Deputirten auf unseren Landtag zu senden, und 
hierdurch uns und ihnen Mittel und Gelegenheit geboten werde, das Werk 
der Verständigung auf staatsrechtlicher Grundlage in Angriff zu nehmen. —
	        
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