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4.
*½ Ist der scchtliche Stillstand des Lebens der Schwangeren nicht durch äußere
Gewalt herbeigeführt, oder sonst unter Umständen erfolgt, welche nach dem
Urtheile eines zur innerlichen Praxis legitimirten Arztes über ihren wirk-
lichen Tod nicht den geringsten Zweifel übrig lassen, so muß vor allen Dingen
durch die bräftigsten, mit Sorgfalt und Ausdauer angewandten Wiederbelebungs-
Versuche die moglichste Gewißheit hergestellt werden, daß die Schwangere
nicht bloß scheintodt, sondern für ihre Person unrettbar verloren sey.
5) Das Kind ist für lebend anzunehmen, so lange nicht mehrere der sichereren
Kennzeichen seines Todes vor oder nach dem Ableben der Mutter sich verei-
nigen, namentlich also wenn nur einzelne, bloß Wahrscheinlichkeit gewährende
AUmstände, wie Mangel an Bewegung des Kindes, oder Kälte der Integumente
der Verstorbenen und dergleichen, für den Tod des Kindes sprechen. Selbst
wenn schon mehrere Stunden seit dem Tode der Mutter verflossen sind,
muß noch immer reiflich erwogen werden, ob nicht günstige Umstände, bräftige
Lebensäußerungen vor oder nach dem Ableben der Mutter, und die Be-
schaffenheit der Leiche der Lehteren, die Hoffnung begrinden, daß das Kind
noch am Leben sep.
4) Die Lober iöfaͤhigkeit des Kindes (d. h. die Faͤhigkeit, nach der Geburt sein
Leben fortzusetzen) ist nicht nur vom Eintritte der 28sten Schwangerschafts-
Woche, sondern im Zweifelsfalle selbst einige Wochen früher als vorhanden
anzunehmen, da, abgesehen von den Täuschungen, die in der Schwangerschafts-
Rechnung denkbar sind, nicht selten eine Verschiedenheit in der Periode Statt
fündet, mir welcher das Kind ein selbstständiges Leben gewinnt.
Was. die Zeit der Huͤlfeleistung betrifft, so ist dieselbe da, wo der Tod der
Muͤtter außer allen Zweifel geseht ist, so schnell als nur immer möglich an-
zuwenden. Wo hingegen noch Wiederbelebungs-Versuche gemacht wurden
(#. 2), da ist, insofern nicht besondere Umstände ein Anderes nöthig oder
rathsam machen, wenigstens nicht über zwei Stunden nach dem sichtbaren
Stillstande des Lebens der Mutter zuzuwarten.
Die Hülfeleistung selbst hat vorzugsweise in der Entbindung auf dem natür-
lichen Wege durch die Zange oder die Wendung zu bestehen, so lange diese
eine gleich sichere Aussicht auf Erhaltung des Lebens des Kindes, wie der