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begriffe uͤbereinstimmend, lehrreich und erbaulich, den allgemeinen Beduͤrfnissen der
Menschen und den besonderen Beduͤrfnissen der einzelnen Gemeinden entsprechend,
dem Inhalte und Ausdrucke nach fuͤr den Zuhoͤrer faßlich, auch durch eine leichte und
natuͤrliche Ordnung behaͤltlich seyn, und mit einem den Regeln des guten Geschmacks
entsprechenden und der Kanzel wuͤrdigen Anstande, mit Waͤrme und Leben gehalten
werden. In den Predigten ist weder bloß unfruchtbare Dogmatik, noch trockene
Sittenlehre vorzutragen; die heilige Schrift, die Ratur der Sache selbst und die
Erfahrung sprechen dafür, daß durch geschickte, an das Muster der Lehrvorträge
Jesu und seiner Apostel selbst sich anschließende Verbindung der Glaubens= und Sit,
tenlehre die Kanzelvorträge an Zweckmäßigbeit und Wirksamkeit gewinnen. So
sehr die Vibelsprache und die Einwebung passender Bibelsprüche in den Vortrag
eempfohlen zu werden verdient, so ist doch eine ungeordnete, nichts erlduternde Anhäu=
fung von Bibelstellen zu vermeiden. Um bei der periodischen Wiederkehr der für die
Predigten an Sonn-, Frst= und Feiertagen vorgeschriebenen Terte Wiederholungen
zu vermeiden, soll der Geistliche sich bestreben, aus dem Terte immer wieder ein neues
Thema aufzustellen.
Die Kanzel ist besonders dazu zu benutzen, religidse Irrthümer, abergläubische und
schwärmerische Meinungen, die sich unter den Gemeinden finden, zu widerlegen, und
dem Parteigeiste, dem Mysticismus, der Frômmelei entgegenzuwirken. Doch soll
dieß mit Klugheit und Mäßigung, und nicht auf eine solche Art geschehen, daß der
eine Theil erbittert, der andere im Leichtsinne bestärkt werde. Unordnungen, Fehler,
Sittenverderbnisse und Laster, welche unter einem größeren oder kleineren Theile der
Gemeinde herrschen, dürfen allerdings öffentlich, jedoch ohne Verlehung der Achtung,
die der Prediger der ganzen Gemeinde schuldig ist, gerügt werden. Dagegen sollen
Anzüglichkeiten und Persöulichkeiten oder Anspielungen auf einzelne Stände und
Personen, welche den Zuhdrern verständlich sind, von der heiligen Stätte enrfernt
bleiben. Entweihung der Kanzel durch Schimpf= und Schmähworte verdient ernste
Ahndung. Die politischen Verhältnisse und die Zeitgeschichte sollen ohne besondere
dießfallsige Anordnung in den Kanzelvorträgen nicht berührt, auch die vaterländischen
Staats= und Regierungs-Angelegenheiten nicht zum Gegenstande solcher Vorträge
gewählt, vielweniger einzelne Regierungs-Maaßregeln auf der Kanzel erdrrerr, gelobt
oder getadelt werden. Von sich selbst, offener oder versteckter, auf eine eigenliebige,
selbstgefällige und anmaßende Art auf der Kanzel zu sprechen, geziemt dem Prediger,