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der nur die Befoͤrderung der Ehre Gottes und Jesus zum Zwecke seiner Vortraͤge
machen soll, nicht. Noch weniger ist es dem Prediger erlaubt, Streitigkeiten, in die
er mit Andern, namentlich mit Gemeindegliedern, gerathen ist, auf der Kanzel zu
beruͤhren.
Sorgfältige Vorbereitung auf die Kanzelvortraͤge ist eine Pflicht, welche bloß
von leichtsinnigen und gewissenlosen Geistlichen hintangeseht werden kann. Nur
unabweisliche Hindernisse bönnen das sogenannte Predigen aus dem Stegreif recht-
fertigen. Das Schreiben der Predigten muß so lange für den Geistlichen Regel
bleiben, bis ihn eine durch vieljéhrige Uebung erworbene Fertigkeit in den Stand
sest, ohne Nachtheil für die Sache seine Vorträge nach ausführlichen Disposttionen
zu halten. Da aber das Ablesen der Predigt mehr oder weniger den Eindruck der-
selben schwücht, und die Gemeinden sich nie ganz damit aussöhnen werden, so hat es
bei der längst bestehenden Vorschrift, wornach die Geistlichen ihre Predigten aus dem
Gedächtnisse abzulegen haben, sein Verbleiben. Einer Ausnahme von dieser Regel
kann nur aus ganz besonderen Gründen und nur durch besonderes Erkenntniß des
evangelischen Consistorium Statt gegeben werden.
Endlich hüte sich der Prediger, daß er seine Zuhbrer nicht durch zu lange Vorträge
ermide oder wohl gar vom Besuche des Gottesdienstes abschreche, aber er vermeide
auch eine zu große, besonders unfruchtbare Kürze, welche nichts Nachhaltiges in den
Gemüthern zurückläßt.
Bei Leichenpredigten und Leichenreden hat sich der Geistliche vor unge-
bührlichen Lobsprüchen und unvorsichtiger Seligpreisung der Verstorbenen zu hüten,
aber auch bei solchen Abgeschiedenen, die gegründeten Anlaß zum Tadel geben, Alles
zu entfernen, was die Gemeinde erbittern, oder die Verwandten beschämen kbönnte.
In Hochzeitpredigten und Hochzeitreden sind alle unschicklichen Bezie-
hungen zu vermeiden, und der Vortrag ist so einzurichten, daß die zu Trauenden auf
eine würdige Art auf den ernsten Schritt, den sie machen, vorbereitet werden.
g. 3.
Katechisationen.
Nicht minder wichtig, als die Predigten, sind die Katechisationen, durch welche
die Jugend eine klare und fruchtbare Erkenntniß der Wahrheiten des Christenthums