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8. 70.
Am Tage der Entlassung, welche immer, ohne Rücksicht auf die Stunde der Einlieferung,
Morgens erfolgt, wird der Gefangene, nach dem Genusse der Morgensuppe, von dem Auf-
seher auf das Visitationszimmer (K. 4) geführt, wo ihm die etwa von der Anstalt empfangene
Kleidung abgenommen, und seine eigene Kleidung angelegt wird.
Ist der Gefangene nicht mit einer brauchbaren eigenen Kleidung versehen, so wird ihm
eine solche aus eigenen Mitteln, und in deren Ermanglung von der Casse der Strafanstalt
angeschafft. Hiebei ist er zu untersuchen, ob ihm nicht von Andern verbotene Gegenstände
zugesteckt worden sind. Sodann wird ihm seine Baarschaft „soweit er solche zur Heimreise
bedarf, und sein übriges Eigenthum, nebst dem Entlassungsscheine zugestellt.
Die Umkleidung und Durchsuchung weiblicher Gefangenen geschieht vurch die betreffende
Aufseherin.
. 71.
Hierauf erhält der Gefangene seine wirkliche Entlassung, entweder durch freien Austritt
aus der Strafanstalt, oder, wenn den bestehenden Vorschriften gemäß der Traneport verfügt
wird, durch Uebergabe an das Oberamt.
Eine rechtswidrige Verzögerung der Entlassung wird nach Maßgabe der Art. 452 u. 453
des Strafgesetzbuchs geahndet.
8. 72.
Besitzt der Gefangene mehr Geld, als er zur Heimreise nöthig hat, so wird solches der
Ortsobrigkeit zur weiteren Verfügung übersendet.
8. 73. «
Gefangene, welche nach abgelaufener Strafzeit durch Krankheit an der Heimreise gehin-
dert sind, werden bis zu ihrer Genesung in der Strafanstalt verpflegt, und zwar gegen Ersatz
der Auslagen, sofern diese nicht unter einem Gulden betragen. Der Ersatz ist entweder aus
den Mitteln des Gefangenen, oder in deren Ermanglung, aus den Ortskassen seiner Heimaths-
gemeinde zu leisten. ·
Stuttgart den 22. December 1842.
Der prov. Chef des Justiz-Departements:
Staats-Rath v. Prieser.