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Eine Ausnahme tritt ein, wenn schon vor dem bemerkten Tage
1) von dem erkennenden Gerichte die Vertheidigung eingeleitet worden, oder
2) die Sache zur Endentscheidung an das Kreis-Gericht gelangt ist.
Wiro von diesem zunächst noch eine Zwischenverfügung erlassen; so hat es zugleich über
die Versetzung in den Anschuldigungsstand zu beschließen.
Art. 4.
Das Schlußverfahren unterbleibt
1) in schweren Straffällen (Art. 262. der Strasprozeß-Ordnung), wenn die Ver-
theidigung schon vor dem im Art. 1. bezeichneten Tage angeordnet worden ist;
2) in anderen Straffällen, wenn schon vor viesem Zeitpunkte die Sache an das Kreis-
Gericht zur Endentscheidung eingesendet oder die Vertheidigung eingeleitet worden
ist, es wäre denn, daß das erkennende Gericht die Fortsetzung der Untersuchung
nothwendig finden sollte, welchenfalls auch die Nachholung der Schluß-Verhandlung
beschlossen werden kann.
Art. 5.
Sind Strassachen, welche erst durch die Strafprozeß-Ordnung den Bezirks-Gerichten zur
Erledigung zugewiesen werden, vor dem in Art. 1. erwähnten Zeitpunkte zur Endentscheidung
an das Kreis-Gericht gelangt; so bleibt dieses für das Envurtheil zuständig.
Eine Ausnahme tritt ein, wenn das Kreis-Gericht die Sache nicht als spruchreif annehmen sollte.
Art. 6.
Die Dauer der Wirksamkeit der provisorischen Strafprozeß-Ordnuung ist auf die Zeit
von dem Tage des Eintritts ihrer Wirksamkeit (Art. 1.) bis zur weiteren Verabschiedung über
das Straf-Verfahren auf dem ersten ordentlichen Landtage, welcher nach sechsjähriger Wirk-
samkeit der Strafprozeß-Ordnung einberufen wird, beschränkt.
Erfolgt eine Verabschiedung über das Straf-Verfahren auf viesem Landtage nicht; so
tritt der unmittelbar vor der Verkündigung der provisorischen Strafprozeß-Ordnung bestandene
Rechts-Zustand wieder ein.
Unser Justiz-Ministerium ist mit ver Vollziehung dieses Gesetzes beauftragt.
Gegeben, Stuttgart den 22. Juni 1855.
Wilhelm.
Der Chef des Departements der Justiz:
der Staats-Sercretar:
Vellnagel.
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Gedruckt bei G. Hasselbrink.