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so bleibt, wenn beide Erkenntnisse unvereinbar sind und den Beweis der Unschuld des einen
oder des andern Verurtheilten enthalten, die Vollstreckung beider Erkenntnisse ausgesetzt, selbst
wenn die Nichtigkeitsklage gegen das eine oder das andere Erkenntniß verworfen- worden ist.
Die beiden Erkenntnisse werden entweder auf Anrufen eines der Verurtheilten oder auf An-
trag des General-Staatsanwalts am Cassationshofe diesem Tribunale angezeigt. Dieser
Gerichtshof hebt alsdann, wenn er nach vorgängiger Prüfung gefunden hat, daß die beiden
Verurtheilungen unvereinbar sind, dieselben auf und verweist die Angeklagten vor einen an-
vern Schwurgerichtshof, als diejenigen, welche die beiden Erkenntnisse erlassen haben, damit
dort auf Grund der vorhandenen Anklageakte verfahren werde.
Art. 258.
Ist Jemand wegen Tädtung verurtheilt worden, und werden demnächst auf Antrag des
Verurtheilten oder des General-Staatsanwaltes dem Cassationshofe Beweisstücke zugesendet,
welche nach der Verurtheilung beigebracht worden und geeignet sind, hinreichende Anzeigen
für die fortdauernde Existenz der Person zu begründen, deren angeblicher Tov Veranlassung
zu der Verurtheilung gegeben hatte, so kann dieser Gerichtshof vorläufig einen Criminalsenat
bezeichnen, um die Existenz und Iventität der angeblich getödteten Person zu untersuchen
und sie durch Vernehmung dieser Person, durch Abhörung von Zeugen und durch alle son-
stigen Mittel festzustellen, welche geeignet sind, die die Verurtheilung vernichtende Thatsache
ins Licht zu stellen. — Die Verweisung der Sache an einen Criminal-Senat bat von selbst
die Wirkunng, daß die Vollstreckung bis dahin ausgesetzt werden muß, wo der Cassationshof
definitiv entschieden haben wird. — Der vom Cassationshof bestimmte Gerichtshof erkennt
blos über die Identität oder Nichtidentität der Person, und nachdem das Erkenntniß dessel-
ben mit den Aktenstücken dem Cassationshof übersandt worden ist, kann dieser vas verurthei-
lende Erkenntniß aufheben und, geeigneten Falles, die Sache selbst vor einen andern Schwur-
gerichtshof verweisen, als diejenigen, welche darin zuerst erkannt haben.
Art. 259.
Wen nach erfolgter Verurtheilung eines Angeklagten ein Zeuge over mehrere, die ge-
gen ihn und zu seinen Lasten ausgesagt hatten, verfolgt werden, weil sie in dem Procesfse
ein falsches Zeugniß abgelegt haben, und wenn vie Anklage wegen falschen Zeugnisses gegen
sie zugelassen oder auch nur ein Verhaftbefehl wider sie erlassen ist, so wird vurch die Staats-
behörde, sobald fie vavon Kenntniß erhält, die Vollstreckung des verurtheilenden Erkenntnisses
ausgesetzt, selbst wenn der Cassationshof die Beschwerde des Verurtheilten verworfen hat.