Full text: Regierungsblatt für das Königreich Württemberg vom Jahr 1849. (26)

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geschwaͤchten materiellen Interessen des Landes wieder die volle Kraft zuzuwenden, was nicht 
gescheben kann, so lange die ganze Staatsverfassung in Frage gestellt wird. 
Die Erfahrungen, die Wir seit Einberufung ver Versammlung machten, haben aber 
Uns zu Unserem tiefen Bedauern überzeugt, daß auf dem von der Mebrheit der Ver- 
sammlung eingeschlagenen Wege das vorgesteckte Ziel durchaus nicht erreicht werden kann, 
vielmehr unter dem störenden Einfluß aufgeregter Leidenschaften das Wohl des Landes un- 
beachtet bleibt. 
Schon mehrere Tage vor der Eröffnung der Versammlung hat sich die Mehrheit der- 
selben in besonderer Zusammenkunft die Befugniß angemaßt, die Gültigkeit einer K. Ver- 
ordnung zum Gegenstand ihrer Berathung zu machen, und die Zurücknahme derselben als 
ein gesetzliches Recht des Landes in Anspruch zu nehmen, ungeachtet die Ver- 
fassungs-Urkunde ein solches Unternehmen einzelnen Ständemitgliedern verbietet, und, ganz 
abgesehen von positiven Bestimmungen, es in ver Natur der Sache liegt, daß es einer die 
Mehrzahl der Ständemitglieder in sich begreifenden Partei nicht erlaubt seyn kann, vor der 
in den verfassungsmäßigen Formen von den gesammten Ständen zu pflegenden Berathung 
und Abstimmung sich zu einem Beschluß zu vereinigen, wenn nicht jede parlamentarische 
Verhandlung in ver Ständeversammlung selbst zwecklos seyn und zu einem eben so unnützen 
als verwerflichen Formenspiel werden soll. 
Wenn schon diese Erfahrung Un'ere gerechte Hoffnung auf ein von dem Geiste der 
Vaterlandsliebe geleitetes Zusammenwirken der Volksvertreter mit der Regierung bedeutend 
schwächen mußte, so ist dieselbe seit Eröffnung der Versammlung durch den bei den parla- 
mentarischen Verhandlungen geoffenbarten Mangel an unbefangener Prüfung vollends ganz 
vernichtet worden. 
Unter dem Vorgeben, daß das positive Recht einem über demselben stehenden soge- 
nannten Vernunftrecht weichen müsse, wurden aus der Mitte der Mehrheit der Versamm- 
lung Grundsätze kund gegeben und Folgerungen gezogen, welche mit einer constitutionellen 
Monarchie in unversöhnbarem Widerspruche stehen, und von der Willkühr einer zufälligen 
Majorität von Abgeordneten die Verfassung und die Regierung des Staats abhängig ma- 
chen müßten. Durch weise Abwägung der Befugnisse der Organe der Staatsgewalt sichert 
die constitutionelle Monarchie die Freiheit und die Ordnung und schützt die Rechte aller 
Bürger. Diese Verfasschg kann aber nicht bestehen, wenn das Recht des Regenten durch 
das jeweilige Belieben der übrigen zur Theilnahme an der Ausübung der Staatsgewalt be- 
rufenen Organe umgestürzt werden kann. Mag immerhin jeve Verfassung der Vervoll- 
kommnung fähig, mag es begründet sepn, vie durch die Erfahrung und die Wissenschaft em-
	        
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