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so sieht man sich veranlaßt, die pünktliche Handhabung der angeführten Vorschriften in
Erinnerung zu bringen und denselben noch Folgendes beizufügen:
1) Wenn das Oberamt und Oberamts-Physikat von dem Vorhandensein eines
Geisteskranken Kenntniß erhalten, so genügt es keineswegs, daß sich diese Behörden
blos einmal von dem Vorhandensein des Uebels und der Unterbringung des Kranken
unterrichten, vielmehr sind sie zu wiederholter Nachfrage und fortdauernder Ueberwach-
ung, daß der Kranke angemessen verpflegt werde, verbunden und hat diese erneuerte
Thätigkeit zumal dann einzutreten, wenn die bemerkten Beamten einzeln oder gemein-
schaftlich aus amtlichem Anlaß in die Wohnorte der Geisteskranken kommen.
2) Die länger dauernde Unterbringung von Geisteskranken in Bezirks-Irrenloka-
len ist möglichst zu vermeiden, und es ist darauf zu dringen, daß solche Kranke in thun-
lichster Zeitkürze in Staats= oder Privat-Irren-Anstalten untergebracht werden. Die
Oberämter und Oberamts-Physikate haben sorgfältig darüber zu wachen, daß diese Vor-
schrift pünktlich eingehalten wird.
3) Die Inhaber von Privat-Irren-Anstalten sind verpflichtet, von jedem Kranken,
den sie aus ihren Anstalten ungeheilt entlassen, dem betreffenden Oberamte Anzeige zu
erstatten, damit die Ausführung der im Punkt 1 angeordneten Ueberwachung umsomehr
gesichert wird. Die Oberämter, in deren Bezirke Privat-Irren-Anstalten bestehen oder
errichtet werden, haben die letztere Vorschrift den diese Anstalt leitenden Personen zu
eröffnen.
Stuttgart, den 4. Juli 1872.
Sick.
b) Verfügung, betreffend die Fortbildung der Hebammen in ihrem Berufe.
Um dem Rückgange der Hebammen in ihren Berufskenntnissen zu steuern und den-
selben zur Weiterbildung Anlaß zu geben, wird mit höchster Genehmigung Seiner
Königlichen Majestät Nachstehendes verfügt:
S. 1.
Vom 1. Juli 1872 an sind in jedem Oberamtsbezirke des Landes mit den obrig-
keitlich bestellten Hebammen durch den OberamtSarzt oder einen Stellvertreter desselben
Repetitions-Kurse zu veranstalten.