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grade geschützt, oder noch besser in flüssiger Form in Haarröhrchen. Man nimmt zu
letzterem Behufe die feinsten gläsernen Haarröhrchen von 2—3“ Länge, die aus der
geöffneten Pustel die Lymphe anziehen, worauf man sofort die beiden Enden des Röhr-
chens mit Siegellack oder durch Schmelzung an der Flamme eines Kerzenlichtes ver-
schließt. Vor strengerer Kälte verwahrt hält sich der Stoff in ihnen sehr lange Zeit
frisch und unverdorben. Will man die in ihnen aufbewahrte Lymphe zur Weiterimpfung
verwenden, so bricht oder schneidet man die beiden Enden ab, bläst die Flüssigkeit heraus
auf eine Glasplatte, einen Teller, ein Stäbchen und dergleichen, nach Um ständen auch auf
die Lanzette selbst, oder auf die zu impfende Stelle der Haut, und bedient sich der
flüssigen Lymphe wie bei der Impfung von Arm zu Arm.
6. Anweisung zur Bereitung der Glycerin-Lymphe.
Man öffne die normalen und kräftig entwickelten Pocken eines gesunden Impflings
so, daß die Lymphe reichlich ausfließt. Am Besten geschicht dieß in der Weise, daß
man mit einer scharfen und feinen Impfnadel vielfach in die Basis der Pocken flach
einsticht. Die nach einigen Minuten ausfließende Lomphe nimmt man wiederholt mit
einer breiten Lanzette auf, wobei man durch Streichen der Lanzette über die Pocken den
Abfluß der Lymphe befördert. Durch Abstreifen der Lanzette bringt man die Lymphe
alsdann auf ein Uhrglas und fügt derselben chemisch reines Glycerin und destillirtes
Wasser in dem Verhältnisse hinzu, daß auf ein Theil Lyumphe 2 Theile Glycerin und
2 Theile destillirtes Wosser kommen. Man mischt hierauf die Lumphe mit dem Gly-
cerin und Wasser mittels eines Tuschpinsels stark zusammen und armirt mit letzterem
auch, wenn sofort geimpft werden soll, die Impflanzette oder Impfnadel reichlich.
Soll die Lymphe aufbewahrt werden, so läßt man sie aus dem Uhrglase in starke
Haarröhrchen ziehen, oder man bereitet die ganze Mischung sogleich in einem neuen
Arzneigläschen (etwa von 5,0 bis 10,0 Grm. Inhalt), oder man drückt die Lymphe aus
dem Uhrglase mittels des Pinsels in das Gläschen.
Die aufbewahrte Glycerin-Lymphe muß vor jedesmaligem Gebrauche von Neuem
durcheinander gerührt werden.
Will man große lymphreiche Pusteln erzielen, so impfe man nicht mit der Impf-
nadel, sondern mit einer reich armirten Lanzette durch seichte Einschnitte, in welche man
die Lymphe durch wiederholtes Hinüberstreichen mit der Lanzette stark eindringen läßt.