Full text: Regierungsblatt für das Königreich Württemberg vom Jahr 1876. (53)

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welches die Einleitung der Strafvollstreckung zu verfügen zuständig ist, in das Zellen- 
gefängniß einzuliefern, wenn die zu vollziehende Strafe in Gefängnißstrafe von mindestens 
sechsmonatlicher und höchstens dreijähriger Dauer oder in Zuchthausstrafe von höchstens 
dreijähriger Dauer besteht und der Verurtheilte zur Zeit der That das sechsundzwanzigste 
Lebensjahr noch nicht zurückgelegt hatte. 
Ungeachtet des Vorhandenseins dieser Voraussetzungen hat die Einlieferung in das 
Zellengefüängniß zu unterbleiben und ist die Einlieferung in das Landesgefängniß, be- 
ziehungsweise in das Zuchthaus vorzunehmen, wenn wegen körperlicher oder geistiger 
Gebrechen oder Schwäche des Verurtheilten oder wegen der mit Rücksicht auf seinen 
Gemüthszustand von der Einzelhaft für ihn zu besorgenden Nachtheile die abgesonderte 
Verwahrung desselben in der Zelle nicht thunlich erscheint. Insbesondere sind von 
der Einlieferung in das Zellengefängniß ausgeschlossen: Blinde, Schwachsichtige, Taube, 
Schwerhörige, Krüppelhafte, Epileptische, Gemüthskranke, Solche, bei welchen eine An- 
lage zu Geisteskrankheit anzunehmen ist, körperlich oder geistig so Herabgekommene, daß 
sie zu regelmäßiger Beschäftigung sich nicht eignen. 
Ist es im einzelnen Falle zweifelhaft, ob ein Umstand, welcher die Einlieferung in 
das Zellengefängniß als unthunlich erscheinen lassen würde, vorliege oder nicht, so hat 
das Gericht vor der Beschlußfassung die geeigneten thatsächlichen Erhebungen zu pflegen. 
Auch ist vor der Beschlußfassung der Staatsanwalt um seine Ansicht zu vernehmen, 
und es kann derselbe seinerseits durch Stellung eines Antrags auf Unterlassung der Ein- 
lieferung in das Zellengefängniß eine spezielle Prüfung der Frage durch das Gericht 
veranlassen. 
8. 3. 
Wenn in anderen als in den im §. 2 bezeichneten Fällen der Verurtheilung einer 
Person männlichen Geschlechts zu einer Gefängnißstrafe oder zu einer zeitigen Zucht- 
hausstrafe das erkennende Gericht die Vollziehung der Strafe in Einzelhaft, anstatt in 
gemeinsamer Haft, im Hinblick auf die Individualität des Verurtheilten als besonders 
angemessen erachtet, so ist dasselbe ermächtigt, die Einlieferung in das Zellengefängniß 
anzuordnen, falls die Dauer der zu vollziehenden Strafe mehr als vier Wochen beträgt, 
und fünf Jahre nicht übersteigt. 
Die dießfällige Verfügung ist getrennt von dem Urtheil zu erlassen und eine be- 
glaubigte Abschrift derselben den Einlieferungspapieren anzuschließen.
	        
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