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Verfügung der Ministerien der Justiz und des Innern,
beirefsend die Maßregeln bei der Entlassung hilfsbedürftiger Strafgefangener aus einer höheren
gerichtlichen Strafanstalt. Vom 22. März 1895.
In Ergänzung der Verfügung vom 17. Jannar 1872, betreffend die Maßregeln
der Aufsicht und Fürsorge in Beziehung auf die unvermöglichen und auf die unter
Polizeiaufsicht gestellten Strafgefangenen unmittelbar vor und nach ihrer Entlassung aus
der Strafanstalt, Reg. Blatt S. 12, wird mit Allerhöchster Genehmigung Seiner
Königlichen Majestät Nachstehendes angeordnet.
Wenn hinsichtlich eines unvermöglichen Strafgefangenen vorauszusehen ist, daß der-
selbe zur Zeit seiner Entlassung aus der Strafanstalt hilfsbedürftig im Sinne des
Gesetzes über den Unterstützungswohnsitz vom ¼2#3 Reichsgesetzblatt von 189.1
Seite 262, sein, also insbesondere wegen Krankheit, Arbeitsunfähigkeit rc. auf die öffent-
liche Unterstützung angewiesen sein wird, so ist in diesem Betracht die erforderliche Ein-
leitung zu treffen.
1) Ist der hilfsbedürftige Strafgefangene „Inländer“ im Sinne des §. 1 Absatz 1
des Unterstützungswohnsitzgesetzes, so hat die Strafanstaltsverwaltung spätestens vier
Wochen vor dem Ablauf der Strafzeit den zur Unterstützung verpflichteten Ortsarmen-
verband — den Ortsarmenverband des Unterstützungswohnsitzes des Strafgefangenen —.
oder aber, wenn ein Unterstützungswohnsitz nicht zu ermitteln ist, — den in 8. 30
Absatz 1 lit. b des Unterstützungswohnsitzgesetzes bezeichneten Landarmenverband, aus
welchem die Einlieferung des Strafgefangenen in die Strafanstalt erfolgt ist, von der
Sachlage in Kenntniß zu setzen. Hiebei sind dem Armenverband diejenigen Akten,
welche etwa bei den Ermittelungen wegen des Unterstützungswohnsitzes aufgelaufen
sind, zur Kenntnißnahme mitzutheilen. Dem Armenverband ist ein schriftliches Aner-
kenntniß seiner gesetzlichen Verpflichtungen, insbesondere für den Fall des Vorliegens.
einer nicht nur vorübergehenden Hilfsbedürftigkeit ein Anerkenntniß der Verpflichtung
zur Uebernahme des Strafgefangenen nach seiner Entlassung aus der Strafanstalt an-
zusinnen und es ist gegebenen Falls von der Strafanstaltsverwaltung mit dem Armen-
verband über die demnächst zu ergreifenden Maßregeln (Verbringung des entlassenen
hilfsbedürftigen Strafgefangenen in ein Krankenhaus, in eine Armenbeschäftigungs-
anstalt 2c.) eine angemessene Verständigung zu treffen. Hievon ist der Ortsarmenverband,