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welcher sich am Sitze der Anstalt befindet, in Kenntniß zu setzen. Entsprechend jener
Verständigung ist demnächst der Strafgefangene au den mit dem Armenverband verab-
redeten Ort zu entlassen, wobei hinsichtlich des einzuhaltenden Verfahrens je nach Lage
der Umstände die bezüglichen Vorschriften der Ziffern 3, 4, 6 und 7 der Verfügung der
Ministerien der Justiz und des Innern vom 17. Januar 1872 zur Anwendung zu
kommen haben. Ist aber auf dem angeführten Wege ein Anerkenntniß über die Unter-
stützungspflicht und beziehungsweise eine entsprechende Abrede mit einem Armenverband
nicht zu erzielen gewesen, so ist der in hilfsbedürftigem Zustand Entlassene demjenigen
Ortsarmenverband zu übergeben, welcher sich am Sitz der Strafanstalt befindet und
welcher gemäß §. 28 des Unterstützungswohnsitzgesetzes zur vorläufigen Unterstützung, vor-
behältlich des Anspruchs auf Erstattung der Kosten beziehungsweise auf Uebernahme des
Hilfsbedürftigen gegen den hiezu verbundenen Armenverband, verpflichtet ist.
2) Was sodann die Entlassung solcher hilfsbedürftiger Strafgefangener aus einer
höheren gerichtlichen Strafanstalt betrifft, welche „Ansländer“ im Sinne des §. 60 des
Unterstützungswohnsitzgesetzes und des Artikels 47 vergl. mit Artikel 49 des württem-
bergischen Ausführungsgesetzes zum Unterstützungswohnsitzgesetz vom 17. April 1873,
Reg. Blatt S. 109, sind und welche etwa ausnahmsweise nach dem Ergebniß der von der
Strafanstaltsverwaltung rechtzeitig au das betreffende Oberamt r2c. zu richtenden Nach-
frage nach ihrer Entlassung aus der Strafanstalt im Lande zu belassen sind, so sind
diese Strafgefangenen bei ihrer Entlassung dem Ortsarmenverband des Sitzes der
Strafanstalt zur vorläufigen Unterstützung gemäß §. 60 Satz 1 des Unterstützungswohnsitz-
gesetzes zuzuweisen.
3) Die Strafanstaltsverwaltung hat den Ortsarmenverband des Sitzes der Anstalt
von einer bevorstehenden Zuweisung eines hilfsbedürftigen entlassenen Strafgefangenen
thunlichst bald unter Mittheilung der sachdienlichen Aufschlüsse in Kenntniß zu setzen.
Stuttgart, den 22. März 1895.
K. Justizministerium. K. Ministerium des Innern.
Für den Staatsminister: Pischek.
Köstlin.