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Die Aenderung der Voraussetzungen bei völker-
rechtlichen Verträgen.
Von
Dr. L. FuLpd in Mainz.
In Heft 1 dieses Bandes hat Professor STOERK die inter-
essante Frage der partiellen Suspension eines völkerrechtlichen Ver-
trages durch eine einseitige Willenserklärung eines der vertrag-
schliessenden Theile behandelt und hierdurch die Doktrin und
Praxis auf die Erörterung eines Punktes hingewiesen, mit dem
man sich bislang noch nicht eingehend genug beschäftigt hat.
Veranlasst wurde diese Besprechung durch das Ausfuhrverbot,
welches die Reichsregierung im verflossenen Jahre für landwirth-
schaftliche Futtermittel erliess, ohne die Frage erwogen zu haben,
ob nicht dem Erlass desselben durch den Handelsvertrag zwischen
Deutschland und Oesterreich-Ungarn ein Hinderniss 'entgegen-
gesetzt würde. Eine verwandte Frage hat sich jetzt durch das
Vorgehen der italienischen Regierung auf dem Gebiete des Münz-
wesens gebildet, dieselbe lässt sich dahin präzisiren, ob es einem
der vertragschliessenden Theile gestattet ist, die Voraussetzungen
einseitig abzuändern, unter welchen ein völkerrechtlicher Vertrag
abgeschlossen wurde. Die Erörterung derselben hat einen hohen
praktischen Werth insbesondere im Hinblick auf die Zoll- und
Handelsverträge und die darin enthaltene Bindung der Zollsätze
auf eine längere Reihe von Jahren.
Die schwere wirthschaftliche Krisis, unter welcher Italien
seit einiger Zeit leidet, veranlasste die Regierung zu dem Er-
Archiv für Öffentliches Recht, IX. 4. 38