Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreiunddreißigster Jahrgang. 1917. Zweiter Teil. (58b)

34 Die S#t#erreichisch-ungarische Monarchie. (Februar 21.) 
nichts, solche Dinge gegenüber den gegen uns vorgebrachten und Tag für 
Tag wiederholten Unwahrheiten von neuem zu betonen. Während der 
ganzen Zeit, seitdem unser Verteidigungsbündnis mit dem Deutschen Reiche 
besteht, fürchtete man niemals in solchen Zeiten eine Störung des europä- 
ischen Friedens, wo der Angriff von unseren Gesichtspunkten aus günstig 
gewesen wäre (Zust. r.), sondern stets wurde der Friede Europas dann jür 
gesichert gehalten, wenn für die uns gegenüberstehenden Mächte an anderen 
Orten Komplikationen bestanden, welche für sie den Zeitpunkt zur Hervor- 
rufung europäischer Wirren nicht geeignet machten. Ich kann mich auf sich 
wiederholende identische Erscheinungen der Geschichte eines Menschenalters 
berufen. Stets war der europäische Friede dann bedroht, wenn die 
Kräfte des franz. und des russ. Reiches für europäische politische 
Ziele frei waren, und stets sah die ganze Welt dest europäischen Frieden 
für gesichert an, wenn sie anderswo Komplikationen hatten, wenn ihre Krait 
anderwärts gebunden war, sie also zum Angriffe nicht bereit waren. Wenn 
der Herr Abgeordnete von Kolonialvpolitik sprach, so ist es doch sehr narür- 
lich, daß ein Reich, welches so expansive wirtschaftliche Kräfte besitzt, auch 
seinerseits trachtete, eine Kolonialpolitik zu verfolgen. Aber man möge doch 
das, was Deutschland auf dem Gebiete der Kolonialpolitik in den letzten 
30 Jahren getan hat, mit der Kolonialpolitik der übrigen gleichfalls Welt- 
handelsmöglichkeiten besitzenden Großmächte vergleichen. Welcher Staat har 
mehr Kriege geführt, um Kolonien zu erwerben? Welcher hat Blut kleiner 
wilder Völker vergossen? Welcher griff ein seine Unabhängigkeit liebendes 
Volk von hoher Bildung und europäischer Kultur bloß deshalb an, um 
seine eroberungssüchtige Kolonialpolitik zur Geltung zu bringen? War das 
das Deutsche Reich? Ich glaube, die Einstellung der Tatsachen, wic wir 
sie von dem Herrn Abgeordneten gehört haben, steht im diametralen Gegen- 
satze zur Wahrheit. Das möge der Herr Abgeordnete unseren Feinden über- 
lassen, sie werden das schon selbst besorgen. (Lebh. Beif. und Händekl. r., 
Unser Bündnis blieb dieser seiner friedlichen Natur bis zum äußersten treu, 
auch in der dem Kriege unmittelbar vorausgehenden Zeit. Aber es blied 
ihr auch treu während des ganzen Verlaufes des Krieges. Nicht wir 
waren es, welche die Vernichtung, die Zerstückelung unserer Feinde ver- 
kündeten. Unsere Feinde rissen sich schon im vorhinein um die blutigen 
Fetzen unseres Lebens. Wir führen diesen Krieg, weil wir ihn zu:r: 
Rettung unseres angegriffenen Lebens führen müssen. Wir werden 
ihn gegen jeden führen und unter allen Umständen so lange — aber auch 
nicht um eine Minute länger —, als zur Rettung unseres Lebens, unserer 
Sicherheit und unserer Existenzinteressen notwendig ist. Hierin stimmen allc 
unsere Bundesgenossen überein. Es gibt keinen einzigen, der andere Ten- 
denzen befolgen würde. Wir haben uns vereint, wir kämpfen Schulter an 
Schulter mit unerschütterlichem Vertrauen zueinander, gleichzeitig aber in 
dem Bewußtsein, daß keiner von uns sich ein anderes Ziel vor Augen hälr 
als die Sicherung unseres Lebens und die Schaffung eines Friedens, eines 
dauernden Friedens, welcher weder die Erniedrigung irgendeiner krieg- 
führenden Partei noch die Schädigung der Lebensinteressen derselben mit 
sich bringt. Dies verbürgt die Sicherung eines dauernden Friedens. Dieie 
müssen wir suchen und nicht die Befolgung irgendwelcher Theorien, welche 
vielleicht sehr schön sein mögen und welche uns vielleicht das Bild einer 
fernen Zukunft vormalen können. Doch glauben Sie mir, m. H., wenn 
wir diesen Krieg mit einem solchen Frieden beenden würden, wie er unseren 
Feinden vorschwebt, ein solcher Friede könnte durch keinerlei Stipulation 
dauerhaft gemacht werden. Man mag was für ein internationales Ueber- 
einkommen immer schließen, solange lebensfähige Glieder der verstümmelten
	        
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